Fünf Fragen an André Schulz, 40, ist Hamburg-Chef und stellvertretender Bundesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter.

Hamburger Abendblatt:

1. WikiLeaks-Gründer Julian Assange wird mit internationalem Haftbefehl gesucht, gibt aber Interviews. Ist sein Aufenthaltsort wirklich unbekannt?

André Schulz:

Ich denke, dass sehr wohl bekannt ist, wo er sich aufhält. Dafür tritt er zu häufig auf. Die Spuren weisen darauf hin, dass er in seinem Heimatland Australien ist. Vermutlich scheuen sich die Behörden, ihn festzunehmen und auszuliefern, weil bisher kaum jemand weiß, ob der Mann ein Straftäter oder ein Aufklärer ist.

2. Gibt es Unterschiede bei der Intensität der Suche, ob jemand wegen Vergewaltigung oder Geheimnisverrats oder Spionage gesucht wird?

Schulz:

Solche Unterschiede sollte es eigentlich nicht geben. Wenn die Polizei einen Gesuchten wirklich finden will, findet sie ihn in der Regel aber. Auch unsere Hamburger Zielfahnder haben schon in anderen Ländern Gesuchte aufgespürt, zum Beispiel den Millionenbetrüger Harksen in Südafrika. Es ist auch nicht auszuschließen, dass trotz eines Haftbefehls gegen Assange die Fahndung nicht sehr intensiv betrieben wird.

3. Wird die Kripo stets eingeschaltet, wenn der Verfassungsschutz nach Verdächtigen sucht?

Schulz:

Nein, aber das hängt immer vom Einzelfall ab. Hier gilt in erster Linie das Trennungsgebot, also die verfassungsgemäße Aufgabentrennung von Verfassungsschutz und Polizei. Die Kripo vor Ort erfährt dann oft erst hinterher, wenn auch ausländische Kräfte im Einsatz waren.

4. Wenn es die von Ihnen geforderten Cyber-Cops schon gäbe, also Polizisten, die nach Verbrechen im Internet suchen, wären dann die WikiLeaks-Daten nie veröffentlicht worden?

Schulz:

Nein, die Cyber-Cops, die wir brauchen, sollen gegen die klassische Kriminalität wie Diebstahls-, Raubdelikte oder Datenklau eingesetzt werden. Hier ist nicht mal klar, ob der Veröffentlichung der Daten ein Diebstahl oder eine Unterschlagung zugrunde liegt. Ein Leck wie in diesem Fall wird man nie mit Sicherheit schließen können.

5. Auch bei der deutschen Kriminalpolizei? Könnten aus Ihrer Datenbank ebenfalls brisante Details ins Internet gelangen?

Schulz:

Die Möglichkeit besteht. Das ist immer auch eine Frage, wie zufrieden die Mitarbeiter mit dem Dienstherrn oder Arbeitgeber sind. Bei der Kripo gibt es ein hohes ethisches Maß. Aber bei der Polizei arbeiten auch viele am Limit, gerade in Hamburg durch Gehaltskürzungen und mangelnde personelle Ausstattung. Wenn die Bürger wüssten, wie es der Polizei in Hamburg wirklich geht, würden sie die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Und je größer die Unzufriedenheit im Job, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass etwas nach außen dringt.