Es waren Sylter Rettungsschwimmer, die in den 60ern als Erste das Surfen nach Deutschland brachten. Ein Film erzählt ihre Geschichte.

Damals ist so ein Wort, das schwer zu fassen ist für Jens Körner. Damals kann so vieles sein in einem Leben, in dem einer erst Bürokaufmann lernt und dann zur Bundeswehr geht, in dem einer Rettungsschwimmer wird, Fußballprofi in Marokko und Melkmaschinenverkäufer in Kapstadt, "alles so Geschichten", sagt Jens Körner und winkt ab und kommt doch immer wieder auf die eine zurück: diese Geschichte einer großen Liebe, die bis heute hält und seinem Leben eine Konstante gibt, auch wenn sie gerade, vom ersten Schnee bedeckt, im Hof seines Hauses am Moorfleeter Deich liegt, rot und ziemlich reglos, ein Surfbrett. Nicht sein erstes, aber eines, das er schon lange hat. "Wellenreiten", sagt Körner und malt mit der Hand eine Linie durch die Luft, "das werde ich machen, solange ich irgendwie kann."

Jens Körner ist ein deutscher Pionier. Gemeinsam mit einigen anderen Männern hat er in den 60er-Jahren das Surfen nach Deutschland gebracht, damals, als er noch Rettungsschwimmer auf Sylt war und niemand davon wusste, dass man auf einem Brett stehend die Welt erobern kann. Es ist eine wundervolle Geschichte, und dass sie nun in einem Film erzählt wird, ist im Grunde ein Zufall, so wie das Leben von Jens Körner bislang ein Mosaik der Zufälle ist. Vor vier Jahren trafen sich der Düsseldorfer Regisseur Jörg Hennessen, 39, und Jens Körner auf einem Campingplatz in der Nähe von Biarritz. Körner erzählte seine Geschichte, Jörg Hennessen machte einen Film daraus. "Väter des Wellenreitens" heißt die Dokumentation, die am Donnerstag im Zeise Kino läuft. Beide, Jens Körner und Jörg Hennessen, werden dort sein, vielleicht noch ein paar Freunde von damals, von den Sylter Rettungsschwimmern. Denn die meisten von ihnen leben noch.

Alles begann im Jahr 1964. Jens Körner, 19 Jahre alt, zog von Hamburg nach Sylt, ein Kaufmann, den es zur Küste zog, das war schon eher seine Welt. Ganz abgesehen von dem guten Geld, das man sich als Rettungsschwimmer auf der Insel verdienen konnte. Surfbretter gab es noch keine in Deutschland, auch nicht auf Sylt. Nur die Bretter der Rettungsschwimmer, schweres Material, viereinhalb Meter lang, 50 Kilogramm schwer. "Auf denen haben wir irgendwie versucht, stehen zu bleiben, wenn die Wellen kamen", sagt Körner, "aber das war fast unmöglich und ziemlich gefährlich."

Vielleicht wäre es dabei geblieben. Hätte es nicht diesen Zeitschriftenartikel gegeben, im Sommer 1966, er stand im "Reader's Digest" und handelte vom Phänomen des Wellenreitens; noch nie war in Deutschland ein Artikel über diese Sportart veröffentlicht worden. "In dem Bericht ging es um Hawaii und Neuseeland", sagt Körner, "wo Eingeborene mit schmalen Brettern auf Wellen ritten, dazu gab es Fotos - kräftige Männer umgeben von Mauern aus Wasser und Gischt, wir waren völlig fasziniert." Aber nicht nur wegen der Bilder. Sondern auch, weil schlagartig allen bewusst wurde: Wir sind nicht die Einzigen, die diese Sehnsucht haben. "Und dann, am Ende des Artikels, hieß es, dass in Biarritz wohl die ersten Wellenreiter Europas gesichtet worden waren, im Süden Frankreichs."

Für Jens Körner und die Sylter Rettungsschwimmer begann so der längsteSommer ihres Lebens. Denn sie mussten das Ende der Badesaison abwarten, bis sie endlich loskonnten, "runter nach Südfrankreich", erzählt Körner. Sieben Mann in zwei VW-Bussen, nach zwei Tagen erreichten sie Biarritz. Eine Reise, deren Eindrücke bis heute niemand vergessen hat. Denn zum ersten Mal trafen Körner und seine Kollegen richtige Wellenreiter, aus Australien und Neuseeland und natürlich aus Frankreich.

Michel Barland zum Beispiel, der damals schon Bretter produzierte; ein Hollywoodregisseur hatte den Sport 1955 an die französische Atlantikküste gebracht. Die Sylter Rettungsschwimmer gaben ihre Bestellung auf. Sieben Barland-Bretter für sieben Mann, ein halbes Jahr später wurden sie am Verladebahnhof in Westerland angeliefert.

Jeden Tag nach Dienstschluss sprangen sie in die Wellen, probierten die neuen Spielzeuge aus, von deren glatter Oberfläche sie abrutschten wie tollpatschige Welpen. Niemand wusste ja, dass die Bretter erst gewachst werden mussten, um darauf stehen zu bleiben. Hunderte von Schaulustigen kamen, lachten oder applaudierten, "und wenn wir danach noch ein Bier trinken gingen, hieß es immer: Achtung, da kommen die Verrückten." Eine Szene rund um die Surfer gab es noch nicht. Die kam wohl erst, als sie auf Sylt anfingen, den Strand auszuschildern.

Die alten Männer und das Meer - es ist eine lange und ziemlich kuriose Geschichte, und als Filmemacher Jörg Hennessen zufällig darauf stieß, wollte er sie erst gar nicht glauben. Sie lernten sich in einem Surfurlaub kennen, der alte Wellenreiter und der junge Regisseur, ausgerechnet. "Wir saßen am Lagerfeuer", sagt Hennessen, blonde Locken, dunkler Teint, "und neben mir ein älterer Mann aus Hamburg, der Anekdoten erzählte, dass mir die Ohren schlackerten." Von seinen Touren durch Afrika, von seinem Debüt für Hassania Agadir, für die er gleich beim ersten Spiel im südmarrokanischen Pokalfinale das entscheidende Tor schoss. Von seiner Zeit als Melkmaschinenverkäufer in Südafrika, weil dort die Eltern seiner Frau lebten. Und von den ersten Surfversuchen der Rettungsschwimmer von Sylt. "Ich dachte nur: Alles gut, lass den mal reden. Der hat ja schön einen im Tee."

Aber Körner blieb standhaft. Am nächsten Tag erzählte er die Geschichte noch einmal, so oft Hennessen wollte, auch von Fangfragen ließ er sich nicht irritieren. "Ich dachte nur, was fragt der eigentlich die ganze Zeit nach, glaubt der mir nicht?", sagt Körner, da lächelt er plötzlich mal nicht. Und Hennessen antwortete er: "Also, wenn du unbedingt Beweise brauchst, "wir haben damals alles auf Super 8 festgehalten."

Zurück in Hamburg ließ er Hennessen das Material zukommen. Der konnte es kaum fassen: Was da meterlang an Zelluloid vor ihm lag, waren Dokumente der Zeitgeschichte, eine filmische Reise zu den Wurzeln einer Sportart. Und er beschloss, selbst einen Film zu drehen, mit Interviews der alten Surfer und den alten Super-8-Dokumenten.

Im Film sehen sie glücklich dabei aus. Das muss man nicht kommentieren, das kann man einfach sehen. Hennessen hat deshalb auf eine Erzählstimme verzichtet, die Erzähler sind die Protagonisten selbst. Junge Männer in alternden Körpern, in deren Gesichter man gern schaut, weil sie weich werden und zärtlich, wenn sie über das Wellenreiten sprechen. Sie wirken nicht verloren dabei, nicht wie alte Hippies, mit denen man oft Mitleid bekommt, weil sie gestrig wirken und irgendwie übrig geblieben. "Mit der Natur, mit den Wellen so zu kämpfen, etwas Schöneres gibt es ja gar nicht", sagt Uwe Draht, der damalige Chef der Sylter Rettungsschwimmer, mit den wachen Augen eines Sportlers. Er ist inzwischen 83 und noch immer ein Baum von einem Mann. "Wir waren ja keine besonders tollen Kerls damals", fügt ein anderer hinzu, auch er mit Ende 60 noch Wellenreiter. "Wir waren einfach nur verliebt in diesen Sport."

Am Anfang, sagt Regisseur Hennessen, seien viele seiner Protagonisten misstrauisch gewesen, es war nicht leicht, ihr Vertrauen zu gewinnen. Wer sagte ihnen, dass sie nicht alt und albern aussehen würden in einem Film über das Surfen, die Sportart der Jungen und Schönen? "Aber im Lauf meiner Interviews geschah etwas Merkwürdiges: Die Männer wurden sich bewusst, dass sie die Pioniere waren, dass sie etwas ausgelöst haben, was bis heute anhält."

Aus einem Film über die Anfänge des Surfsports wurde plötzlich auch einer über das Älterwerden, Hennessen hat das zugelassen, es hat sich einfach ergeben, und den Protagonisten machte es nichts aus, darüber zu reden. Das Surfen hat ihre Körper gezeichnet, viele von ihnen leiden an Rheuma und in ihre Gesichter haben der Wind und die Wellen ihre eigene Farbe gemalt. Nassanzüge kamen ja erst sehr viel später nach Europa - genau wie die Leash, eine Verbindungsleine zwischen Knöchel und Brett, die verhindert, dass man stundenlang im kalten Wasser nach dem verlorenen Brett taucht. So ein Brett war wertvoll, als man es sich mit dem Zug aus Frankreich kommen lassen musste.

Zwei Jahre hat die Produktion des Films gedauert, Hennessen hat sie aus eigenen Mitteln finanziert: Für die Surf-Doku gab es keinen Auftraggeber, bis heute wurde sie nicht im Fernsehen gezeigt. Nach wie vor ist er auf der Suche nach einem Abnehmer. "Was mich wirklich wundert", sagt Hennessen, "wer auch immer den Film sieht, ist begeistert, nicht nur Sportler oder Wellenreiter, sondern Menschen aus allen Gesellschaftsbereichen, Alt und Jung und mit verschiedenen Interessen." Letztlich gehe es ja auch nicht nur ums Wellenreiten, sondern auch um das Thema des Alterns und der Würde, die man sich dabei bewahren kann. Als Jens Körner im vorletzten Sommer 65 wurde, gab er eine riesige Gartenparty, auch Hennessen kam mit seinem Bus aus Düsseldorf. Am frühen Abend legte Körner den Film ein, sofort scharten sich seine Gäste um den kleinen Fernseher, und niemand sagte ein Wort, bis der Film vorbei war. "Mein Fazit: Alle wollen den Film sehen, keiner will ihn senden", sagt Hennessen. Aber er gibt noch nicht auf.

Seine Tour durch deutsche Kinos, die am Donnerstag in Hamburg Station macht, hat er mithilfe einer Hamburger Agentur für Surf-Events organisiert. Davor hat Hennessen die "Väter des Wellenreitens" nur auf dem Sylter Longboard Festival präsentiert. Dort, wo sich auch Körner jedes Jahr mit den Freunden von damals trifft. Bei der ersten Vorführung, im Sommer 2009, gab es Standing Ovations, die Rettungsschwimmer bedankten sich persönlich bei Hennessen. Manche hatten Tränen in den Augen. Jens Körner war einer von ihnen.

Noch heute fährt Körner zum Surfen um die Welt, er hat ein kleines Unternehmen für Isolierstoffe, das er ab und zu allein lassen kann. Im Film sieht man ihn als jungen Mann, den Schalk stets im Nacken, da sitzt er noch heute. Drei Töchter hat er, sie leben auf Bali, in Brasilien und in Bremen, die jüngste ist 13, die älteste 35. Und noch immer lebt er wie ein Surfer. Obwohl es das Lebensgefühl der Surfer in seiner Jugend noch gar nicht gab. Körner und die anderen schufen es sich selbst. Mit ihren VW-Bussen und einem 600er-Fiat fuhren sie jeden Herbst nach Biarritz, 2000 Kilometer, ihre Bretter auf dem Dach, im Kofferraum einen Schlafsack.

Keiner der Pioniere aus Sylt hat bislang vom Surfen lassen können. Von diesem Gefühl, allein zu sein mit der Sonne und dem Wind und zu spüren, wie sich das Wasser aufbaut, wie alles größer wird und mächtig, wie man eins wird mit den Kräften. "Surfen ist ein guter Sport, für den Körper, aber auch für den Geist", sagt im Film einer, schaut raus auf die Wellen - und dann wird es still.

Damals ist so ein Wort, das schwer zu fassen ist für Jens Körner. Damals kann so vieles sein in einem Leben, in dem einer erst Bürokaufmann lernt und dann zur Bundeswehr geht, in dem einer Rettungsschwimmer wird, Fußballprofi in Marokko und Melkmaschinenverkäufer in Kapstadt, "alles so Geschichten", sagt Jens Körner und winkt ab und kommt doch immer wieder auf die eine zurück: diese Geschichte einer großen Liebe, die bis heute hält und seinem Leben eine Konstante gibt, auch wenn sie gerade, vom ersten Schnee bedeckt, im Hof seines Hauses am Moorfleeter Deich liegt, rot und ziemlich reglos, ein Surfbrett. Nicht sein erstes, aber eines, das er schon lange hat. "Wellenreiten", sagt Körner und malt mit der Hand eine Linie durch die Luft, "das werde ich machen, solange ich irgendwie kann." Jens Körner ist ein deutscher Pionier. Gemeinsam mit einigen anderen Männern hat er in den 60er-Jahren das Surfen nach Deutschland gebracht, damals, als er noch Rettungsschwimmer auf Sylt war und niemand davon wusste, dass man auf einem Brett stehend die Welt erobern kann. Es ist eine wundervolle Geschichte, und dass sie nun in einem Film erzählt wird, ist im Grunde ein Zufall, so wie das Leben von Jens Körner bislang ein Mosaik der Zufälle ist. Vor vier Jahren trafen sich der Düsseldorfer Regisseur Jörg Hennessen, 39, und Jens Körner auf einem Campingplatz in der Nähe von Biarritz. Körner erzählte seine Geschichte, Jörg Hennessen machte einen Film daraus. "Väter des Wellenreitens" heißt die Dokumentation, die am Donnerstag im Zeise Kino läuft. Beide, Jens Körner und Jörg Hennessen, werden dort sein, vielleicht noch ein paar Freunde von damals, von den Sylter Rettungsschwimmern. Denn die meisten von ihnen leben noch. Alles begann im Jahr 1964. Jens Körner, 19 Jahre alt, zog von Hamburg nach Sylt, ein Kaufmann, den es zur Küste zog, das war schon eher seine Welt. Ganz abgesehen von dem guten Geld, das man sich als Rettungsschwimmer auf der Insel verdienen konnte. Surfbretter gab es noch keine in Deutschland, auch nicht auf Sylt. Nur die Bretter der Rettungsschwimmer, schweres Material, viereinhalb Meter lang, 50 Kilogramm schwer. "Auf denen haben wir irgendwie versucht, stehen zu bleiben, wenn die Wellen kamen", sagt Körner, "aber das war fast unmöglich und ziemlich gefährlich." Vielleicht wäre es dabei geblieben. Hätte es nicht diesen Zeitschriftenartikel gegeben, im Sommer 1966, er stand im "Reader's Digest" und handelte vom Phänomen des Wellenreitens; noch nie war in Deutschland ein Artikel über diese Sportart veröffentlicht worden. "In dem Bericht ging es um Hawaii und Neuseeland", sagt Körner, "wo Eingeborene mit schmalen Brettern auf Wellen ritten, dazu gab es Fotos - kräftige Männer umgeben von Mauern aus Wasser und Gischt, wir waren völlig fasziniert." Aber nicht nur wegen der Bilder. Sondern auch, weil schlagartig allen bewusst wurde: Wir sind nicht die Einzigen, die diese Sehnsucht haben. "Und dann, am Ende des Artikels, hieß es, dass in Biarritz wohl die ersten Wellenreiter Europas gesichtet worden waren, im Süden Frankreichs." Für Jens Körner und die Sylter Rettungsschwimmer begann so der längsteSommer ihres Lebens. Denn sie mussten das Ende der Badesaison abwarten, bis sie endlich loskonnten, "runter nach Südfrankreich", erzählt Körner. Sieben Mann in zwei VW-Bussen, nach zwei Tagen erreichten sie Biarritz. Eine Reise, deren Eindrücke bis heute niemand vergessen hat. Denn zum ersten Mal trafen Körner und seine Kollegen richtige Wellenreiter, aus Australien und Neuseeland und natürlich aus Frankreich. Michel Barland zum Beispiel, der damals schon Bretter produzierte; ein Hollywoodregisseur hatte den Sport 1955 an die französische Atlantikküste gebracht. Die Sylter Rettungsschwimmer gaben ihre Bestellung auf. Sieben Barland-Bretter für sieben Mann, ein halbes Jahr später wurden sie am Verladebahnhof in Westerland angeliefert. Jeden Tag nach Dienstschluss sprangen sie in die Wellen, probierten die neuen Spielzeuge aus, von deren glatter Oberfläche sie abrutschten wie tollpatschige Welpen. Niemand wusste ja, dass die Bretter erst gewachst werden mussten, um darauf stehen zu bleiben. Hunderte von Schaulustigen kamen, lachten oder applaudierten, "und wenn wir danach noch ein Bier trinken gingen, hieß es immer: Achtung, da kommen die Verrückten."