Mit 21 gewann er auf Sylt den Windsurf-Worldcup, und wird dort verehrt wie ein Rockstar: Robbie Naish über Labskaus, Haiangriffe und Plattdeutsch.

Robby Naish klingt wie vierzehn. Vielleicht wirkt sich das Rest-Adrenalin verjüngend auf seine Stimme aus, denn zwischen zwei Gesprächen ist der 47-Jährige mal schnell von Maui nach Fidschi und zurück geflogen, um dort zu Werbezwecken eine Zehn-Meter-Welle auf einem Steh-Paddleboard zu reiten. Er strahlt, während im Hintergrund seine dreijährige Tochter Christina gluckst. Seine neueste Leidenschaft soll nur ein Hobby bleiben, beeilt er sich gleich zu sagen, denn noch einmal erfinden müsse er sich nach beispiellosen Erfolgen als Wind- und Kitesurfer nun wirklich nicht. „Ich bin der glücklichste Mann auf der Welt“, sagt er, und man glaubt es ihm gern. Seine ältere Tochter lebt als Surflehrerin in Costa Rica und machte ihn vor sieben Monaten zum Großvater. Seine Jüngste hat schon ein winziges pinkfarbenes Board, mit dem sie im häuslichen Pool paddelt. Seine Frau, Ex-Model Katie, hat das 670 Quadratmeter große Heim im windigen Norden Mauis nach Vorbild eines historischen Hawaii-Hotels derart stilecht dekoriert, dass es in Architekturmagazinen gewürdigt wird. Jetzt geht es nur noch um die pure Lebensfreude und – ja, auch um das Geschäft damit. Naish gewann seinen ersten Weltmeistertitel als 13-jähriger Amateur und avancierte zum Superstar von Sylt, seit er dort 1984 den ersten Worldcup gewann. Obwohl er sich in den 90ern mit 24 Titeln aus dem aktiven Wettkampf zurückzog, kommt der Hawaiianer immer noch mindestens einmal im Jahr an die Kurpromenade. Die Nordsee lässt ihn nicht los.

Magazin: Mal ehrlich, kann Sylt es mit Ihren geliebten Südseeinseln aufnehmen?

Robby Naish: Sie erwischen mich in einem schwachen Moment. Ich hatte gerade auf den Fidschis den besten Stand-up-Paddleboard-Ritt meines Lebens und bin leicht euphorisch. Aber in aller Fairness: Sylt hat einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen. Seit ich vor 30 Jahren das erste Mal mit meiner Familie an die Nordsee reiste. Es ist eine lebenslange Liebesaffäre.

Magazin: Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Mal?

Naish: Es muss Sommer gewesen sein, denn ich weiß noch, dass ich in Shorts an der Kurpromenade stand. Surf-Pionier Jürgen Hönscheid hatte mich und meine Familie dort zum Urlaub eingeladen. Ich kannte Jürgen vom Pan-Am-Cup aus Hawaii, er war einer der Exoten, die Windsurfen nach Kailua brachten, als wir alle noch Wellen ritten. Der Spot an der Kurpromenade hat mich gleich beeindruckt. Das Wasser ist sogar im Sommer kalt, dazu heftige Unterströmungen und eine unordentliche Welle, die über einer vorgelagerten Sandbank bricht ...

Magazin: ... klingt verführerisch.

Naish: Es sind schwierige Bedingungen, aber gerade deshalb habe ich so viele Erfolge auf Sylt gefeiert wie kaum anderswo. Als Athlet bevorzuge ich raues, stürmisches Wetter. Je ungemütlicher es wird, desto mehr Spaß habe ich. Ich fühle mich wirklich zu Hause auf Sylt. Das liegt auch daran, dass ich dort Freunde gefunden und Deutsch sprechen gelernt habe.

Magazin: Das wollen wir doch gleich mal überprüfen.

Naish: (spricht Deutsch) Gern. Ich habe Deutsch schon auf der Highschool gelernt.

Magazin: Wozu Deutsch lernen auf Hawaii?

Naish: Weil ich damals schon auf Sylt gewesen war und wusste, dass ich eine lange Beziehung mit dieser deutschen Insel eingehen würde.

Magazin: Sie haben einen fast plattdeutschen Akzent.

Naish: (auf Deutsch) Ja, nech? Es ist langsam besser geworden – nicht perfekt, aber es geht schon. Es macht mir Spaß, Deutsch zu reden. Das hat unserem Familienunternehmen Naish Hawaii sehr geholfen. Deutschland ist einer der größten Märkte für Wind-und Kitesurfen. Außerdem habe ich 2009 in Hamburg den ersten Worldcup im Stand-up-Paddlesurfen unterstützt, das wollen wir dieses Jahr wiederholen.

Magazin: Windsurf-Legende, Kitesurf-Pionier und jetzt Steh-Paddler. Sie können es einfach nicht lassen.

Naish: Ich plane keine dritte Profi-Karriere, das überlasse ich leichten Herzens den Jüngeren. Steh-Paddeln ist eine tolle Ergänzung zum Wellenreiten und Windsurfen, denn es lässt sich unabhängig von Wind oder Dünung praktizieren. Man braucht nicht einmal besonders in Form dafür zu sein.

Magazin: Bei mir zu Hause in Malibu werden die Stand-up-Paddlesurfer eher angefeindet. Die Wellen sind eh schon voll genug und jetzt paddeln auch noch schmerbäuchige Amateure auf Riesenflößen dazwischen.

Naish: Sie haben aber auch das Pech, an einem der populärsten Breaks der Welt zu surfen. Ich glaube, Stand-up-Paddeln wird sich mehr auf Seen und Flüssen ausbreiten. Da ist Platz für alle.

Magazin: Fremde, die in einheimische Wellenreviere eindringen, werden überall argwöhnisch angeschaut. Ist es Ihnen vor Sylt auch so ergangen?

Naish: Nein, nie. Als ich als Junge das erste Mal an der Kurpromenade surfte, war ich ja schon Weltmeister. Wer will sich mit so einem schon anlegen? Aber Sie haben Recht, viele Hardcore-Shortboarder dulden keine anderen Bretter neben sich. Das halte ich für Blödsinn. Je mehr Varianten es gibt von unserem Sport, desto mehr wird sich die Masse verteilen. Ich bin da sehr offen, die Natur gehört uns doch allen.

Magazin: Als Inselmensch verstehen Sie bestimmt die Umweltsorgen der Sylter.

Naish: Klar, uns erwischt es als Erste, wenn das Meer verschmutzt und das Wasser steigt. Aber im Vergleich zu Hawaii ist Sylt wirklich vorbildlich. Ich versuche seit zwei Jahren ein Windrad genehmigt zu bekommen, um meine Farm auf Maui mit Strom zu versorgen. Es ist unvorstellbar, was für ein bürokratischer Kraftakt das ist. Die Mehrheit der Hawaiianer findet immer noch, Windräder zerstörten das Landschaftsbild. Das ist doch verrückt, gerade Maui ist einer der windigsten Orte der Welt, wir könnten schon längst vom Netz sein. Da sind uns die Deutschen Jahre voraus. Immer wenn ich durch Norddeutschland nach Sylt fahre, bewundere ich das. Ich glaube, bei euch hat jeder Bauernhof sein eigenes Windrad.

Magazin: Ihr ehemaliger Kite-Designer Don Montague kooperiert mit den Google-Gründern Larry Page und Sergey Brin und experimentiert mit riesigen Segeln zur Stromerzeugung.

Naish: Ich bin nicht an seiner Firma Makani Power beteiligt, aber ich stelle mein Grundstück für seine Experimente zur Verfügung. Sie befinden sich noch in der Testphase. Als jemand, der mit Wind und Wellen lebt, bin ich alternativen Energien aufgeschlossen.

Magazin: Andererseits sind Sie berühmt für Ihren Wagenpark inklusive Monster-Truck und einem zum Surfmobil umgebauten Stretch-Leichenwagen.

Naish: Ja, meine Spielzeuge habe ich immer noch, auch den kanariengelben Ferrari. Aber im Grunde stehen die schlimmsten Schluckspechte, der Leichenwagen und der Ferrari, nur noch zur Zierde in meiner Garage. Die wenige Freizeit, die mir bleibt, verbringe ich mit meiner dreijährigen Tochter Christina.

Magazin: Was verstehen Sie unter Freizeit?

Naish: Stimmt, das war falsch formuliert. Ich sollte sagen, die Zeit, die ich nicht auf dem Wasser verbringe oder im Flugzeug.

Magazin: Als Sie noch aktiver Wettkämpfer waren, lag Ihr Durchschnitt bei 300 Tagen auf dem Wasser.

Naish: Das ist heute noch so. Und 65 Tage im Flieger.

Magazin: Viel Zeit für Strandpartys bleibt da nicht.

Naish: Nein, aber ich war sowieso nie ein Party-Animal. Als junger Mann noch viel weniger – ich war sehr introvertiert und bin nach den Wettkämpfen sofort nach Hause gegangen.

Magazin: Ihr Freund Jürgen Hönscheid berichtet in seinen Memoiren vom ersten Worldcup 1984. In der Nacht davor brannte die Hütte von Sansibar-Gründer Herbert Seckler ab, die als Headquarter dienen sollte.

Naish: Davon habe ich nichts mitbekommen. Natürlich erinnere ich mich an die bescheidenen Anfänge der Sansibar und ich finde es faszinierend, wie aus dieser kleinen Strandkneipe ein weltberühmtes Unternehmen mit Gourmet-Restaurant und eigener Modelinie werden konnte. Aber als Teenie und junger Mann nahm ich am Nachtleben nicht teil. Alles, was mich interessierte, lag am Ende der Kurpromenade.

Magazin: Und heute?

Naish: Ich hab mich über die Jahre schon verändert. Ich bin im Alter viel geselliger geworden und haue ich nicht mehr sofort ab, sobald der Pflichtteil erfüllt ist.

Magazin: Wo findet die Kür auf Sylt statt?

naish: Wo immer Nici Kreis mich hin entführt. Ich wohne seit vielen Jahren im Miramar Hotel in Westerland und bin gut befreundet mit der Besitzer-Familie. Manchmal gehe ich mit Nici ins American Bistro. Es gibt ein Thai-Restaurant, das ich mag, und Bella Italia, gleich die Straße herunter.

Magazin: Haben Sie eigentlich schon mal Labskaus probiert?

Naish: Nein. Hier ist mein Geheimnis: Was Essen betrifft, bin ich immer noch wie ein kleines Kind. Ich gehe am liebsten zu McDonald’s. Mir schmecken Hamburger und Pommes am besten und Fisch mag ich überhaupt nicht.

Magazin: Ausgerechnet.

Naish: Es bringt meine Sylter Freunde zur Verzweiflung, dass ich eine Institution wie Gosch nicht zu schätzen weiß. Aber ich mag keinen Fisch. Keine Nordseekrabben, kein Labskaus, kein Haifischsteak.

Magazin: Viele Surfer essen aus Karmagründen keine Raubfische Fress ich dich nicht, frisst du mich nicht.

Naish: So sehe ich das auch. Haie gehören zu meiner natürlichen Umwelt auf Hawaii. Drei Freunde von mir haben einen Haiangriff überlebt und surfen nach wie vor. Man darf nie vergessen, dass wir uns in ihrem Territorium aufhalten und nicht umgekehrt.

Magazin: Waren Sie nie in Gefahr?

Naish: Tatsächlich habe ich mich noch nie ernsthaft verletzt. Klar bin ich oft durch den Schleudergang vor Sylt gegangen, habe verlorene Finnen und zerbrochene Boards zu beklagen. Aber nur einmal, in Japan, als ein Hai genau zwischen meinem Brett und dem meines Kumpels hindurchglitt, seine Flosse 20 Zentimeter von meiner Nase entfernt, dachte ich: „Whoa!“