Die Rücktrittswelle wirft ein schlechtes Licht auf das Land.

Es waren nur zwei Wörter, die aber viel über die politische Kultur im Land aussagen. "Endlich frei", antwortete der scheidende Finanzsenator Carsten Frigge auf die Frage, wie er sich nach dem Rücktritt fühle. Das klingt zunächst anmaßend. Da zeigt einer auf andere, um von sich selbst abzulenken. Der CDU-Politiker hat sein Schicksal schließlich frei gewählt, er hat sich selbst zur Wahl gestellt. Und sein Ausstieg reimt sich fatal auf die Worte, die man zuletzt oft, zu oft aus Politikermund gehört hat. Bundespräsident Horst Köhler gab sein Amt gekränkt auf; in Hamburg warfen mit Ole von Beust, Michael Freytag, Karin von Welck und Axel Gedaschko gleich vier Senatsmitglieder mehr oder weniger genervt hin. Ist Pflichtbewusstsein zur Sekundärtugend verkommen?

Ganz so einfach ist es nicht. Viele dieser Rücktrittsentscheidungen sind nachvollziehbar, ja verständlich. Wer heute Verantwortung übernimmt, steht unter besonderer Beobachtung und schnell in der Kritik. Auf der einen Seite verlangt das Wahlvolk von seinen Politikern und Wirtschaftsführern ein absolutes Maß an Integrität, auf der anderen Seite aber wird jede Petitesse schnell zur Affäre, jede Affäre zum Skandal. In der Justiz gilt die Unschuldsvermutung, im öffentlichen Diskurs regiert die Vorverurteilung. Schuld an dieser Entwicklung tragen viele: eine oberflächliche Gesellschaft, die immer schnellere, kürzere und einfachere Antworten verlangt, ein Erregungsjournalismus, der immer schrillere Botschaften liefert, Lobbygruppen, die immer aggressiver agieren - und Oppositionspolitiker, die schon Falschparker in der Regierung mit Rücktrittsforderungen überziehen. Ein besonders bitteres Beispiel war der Rückzug der Kultursenatorin Karin von Welck. Ihr außerordentliches Engagement traf in der Kulturszene zuletzt auf Spott und Feindschaft. Für diese Kritiker dürfte der überforderte Kultursenator Reinhard Stuth eine verdiente Strafe sein.

Und er ist ein mahnendes Beispiel, dass nicht jeder Rücktritt und jeder neue Kopf gleich die Wende zum Besseren verspricht. Ganz im Gegenteil: Das Reservoir an Führungskräften in Stadt und Land ist begrenzt. Und die Anzahl derer schrumpft, die unter den herrschenden Umständen bereit sind zur Verantwortung. Wenn Politik bedeutet, sein Privatleben aufzugeben, permanent verfügbar zu sein und dafür weniger zu verdienen als eine mittlere Führungskraft, wird man die Besten nicht gewinnen können. Wer verantwortungsbewusste Macher wünscht, darf sie nicht zu Gefangenen im Amt degradieren. Eine freie Gesellschaft braucht unabhängige und freie Politiker.