Die Nato nennt das Jahr 2014 für Abzug aus Afghanistan.

Wenn ein maßgeblicher Staatsmann der Atlantischen Allianz noch kurz vor der Implosion des sowjetischen Imperiums 1990 vorausgesagt hätte, in 20 Jahren würde der Kremlchef als geschätzter Freund an Nato-Gipfeln teilnehmen und eine gemeinsame Raketenabwehr besprechen, die größte Bedrohung für den Westen bestünde dann in muslimischen Terroristen sowie atomar bewaffneten Dritte-Welt-Staaten und die Deutschen führten Krieg in Afghanistan - dann hätte man ihn wohl ärztlicher Obhut anempfohlen.

Bereits zum dritten Mal seit dem Ende des Kalten Krieges muss das westliche Bündnis seine Strategie an völlig veränderte sicherheitspolitische Parameter anpassen. Und statt regulärer Armeen sieht sich die Nato nun einem schattenhaften, kaum zu fassenden Feind gegenüber. Gemessen an den Taliban und al-Qaida sowie an den Führungen in Nordkorea oder im Iran waren sowjetische Politiker von geradezu vertrauenswürdiger Rationalität.

Dabei ist der Krieg am Hindukusch für die Atlantische Allianz auch zu einer Existenzfrage geworden. Wenn das mächtigste Militärbündnis der Geschichte nicht mit einem waffentechnisch unterlegenen Rebellenhaufen fertigwerden kann, stellt sich irgendwann die Sinnfrage. Das auf dem Nato-Gipfel in Lissabon vorgestellte Abzugsdatum 2014 ist die bildliche Mohrrübe, die die zunehmend unwilligen Esel - sprich die truppenstellenden Völker - dazu animieren soll, den Karren des Krieges noch ein Stück weiter zu ziehen. Mit dieser Jahreszahl will die Nato nur Zeit gewinnen; wann der Einsatz in Afghanistan tatsächlich beendet werden kann, weiß niemand. Die Allianz pfeift im Wald tapfer das Lied vom Erfolg, während die Taliban immer stärker werden und die korrupte Regierung in Kabul auf ihren Daumen sitzt, aber für alle Fälle hinter den Kulissen schon mal den Kontakt mit dem Feind sucht.

Die Nato ist ein Bündnis im ständigen Wandel, getreu der Einsicht, dass sich alles ändern muss, wenn alles beim Alten bleiben soll. Sie wird auch immer politischer werden müssen, da viele Konflikte nicht mehr militärisch allein zu lösen sind. Der wichtigste Erfolg des Gipfels von Lissabon liegt aber im Atmosphärischen: Die drei großen natürlichen Verbündeten im Kampf gegen radikalislamischen Terrorismus und atomare Proliferation - die USA, die EU und Russland - haben ungeachtet aller Unterschiede und Querelen ein wichtiges Stück näher zueinandergefunden.