In einer Weide in Osdorf klaffte ein 15 Quadratmeter großer Krater. Im Untergrund wird der Tunnel für den neuen Desy-Röntgenlaser gebohrt.

Osdorf. Hofmitarbeiter André Czichon sah zunächst nur etwas Schwarzes. Dann kam er näher - und stand am Rande eines etwa 20 Quadratmeter großen, eineinhalb Meter tiefen, mit schlammigem Wasser gefüllten Kraters. Mitten auf einer Weide des Hamburger Polo-Gestüts am Osdorfer Born sind am Montag etliche Kubikmeter Erdreich abgesackt. Unterhalb der betreffenden Stelle bohren Arbeiter im Auftrag des Deutschen Elektronen Synchrotrons (Desy) einen Tunnel für das Röntgenlaserprojekt "European XFEL". Der Tunnel wird auch unter mehrgeschossige Wohnhäuser am Osdorfer Born getrieben. Dort ist man nach dem Vorfall auf der Weide, bei dem weder Mensch noch Tunnel zu Schaden kamen, - milde ausgedrückt - besorgt.

"Was, wenn unter unserem Haus nun auch so ein Boden ist wie da unter der Weide", sagt Elfriede Stuht, die in einer Erdgeschosswohnung am Osdorfer Born lebt. Die Rentnerin macht sich Sorgen: "Wenn man so etwas hört, kann einem doch mulmig werden. So ein Hochhaus ist schließlich schwer." Und der Tunnel führe auch unter ihrer Adresse hindurch. "Ob das wirklich sein muss, dass so eine Anlage unter einem Wohngebiet gebaut wird?", fragt sie.

Seit Juli gräbt sich eine 550 Tonnen schwere Tunnelvortriebsmaschine sechs bis 38 Meter unter der Oberfläche von Schenefeld Richtung Osdorfer Born. Das Gebiet sei vorher mit Probebohrungen untersucht worden, alle erforderlichen Genehmigungen lägen vor, sagt Desy-Sprecherin Petra Folkerts. An der Einsturzstelle habe sich das Gerät in etwa zehn Meter Tiefe befunden, und laut Folkerts seien Sorgen von Anwohnern unbegründet, weil der Einsturz eine Ausnahme sei: "Die Maschine arbeitete schon vor vier bis fünf Tagen an dieser Stelle. Ursache für die Absenkung ist eine geologische Besonderheit. Die Maschine ist auf einen Übergangsbereich mit sehr lockerem Boden getroffen. Darum bildete sich ein Hohlraum, das darüber lagernde Material ist nachgerieselt und die Erde an der Oberfläche abgesackt." Ein Loch dieser Größenordnung sei "absolut ungewöhnlich", zeige aber, dass im Bergbau "nichts ausgeschlossen" werden könne.

Dieses Restrisiko bereitet André Czichon und der stellvertretenden Leiterin des Polo-Gestüts, Judith Teichmann, Sorgen. Denn bereits bei der ersten der zwei Bohrungen, die auch unter Stall und Wohnhaus des von Polo-Profi Thomas Winter geführten Gestüts hindurchlaufen, hätten die Gläser im Schrank gewackelt. "Wir sprechen viel und oft mit den Desy-Leuten", sagt Teichmann. "Sie waren auch sofort hier, als wir ihnen den Krater gemeldet haben." Aber ein Gefühl des Unbehagens bleibe. Zumal die Desy-Tunnelexperten zu Beginn der Bohrungen versicherten, die Arbeiten seien für Wohngebiete "kaum merklich".

Laut Petra Folkerts bleibe es bei dieser Aussage, unter bewohntem Gebiet sei nicht mit derart losen Erdformation zu rechnen. Deshalb würden die Arbeiten auch weitergehen. Ab Januar soll unter bewohntem Gebiet gebohrt werden. Zur Sicherheit seien dennoch alle Gebäude entlang der 3,4 Kilometer langen Gesamtstrecke des Tunnels (Schenefeld-Bahrenfeld) bereits im Vorfeld "beweisgesichert" worden, kleinere Risse an Häusern könnten nämlich nicht ausgeschlossen werden.

Unterdessen fordern die SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Anne Krischok und Martina Koeppen lückenlose Aufklärung für die Bevölkerung. Beide hätten den Senat bereits vor Beginn der Tunnelarbeiten zu Problemen befragt, damals habe es nur "ausweichende" Antworten gegeben.