Hamburg entwickelt sich zur Hochburg für Zukunftsforscher. Acht Büros in der Stadt beraten Konzerne wie Airbus, Bacardi oder Otto.

Hamburg. Das Vapiano kennen heute nicht nur Menschen aus Harvestehude, sondern Pizza- und Pastafans in Großbritannien, Australien oder Mexiko. Der Trend zum italienischen Fast Food kommt aus Hamburg. Bei Balzac Coffee verbindet sich die klassische Kaffeekultur mit der "To-go"-Philosophie: Die Idee für den schnellen Kaffee zum Mitnehmen wurde für die deutschen Kunden in der Hansestadt geboren. Auch Hamburger Konzerne wie Beiersdorf oder Otto gehören zu den weltweit führenden Trendsettern . Beiersdorf verhilft mit seinen Whitening-Cremes modebewussten Asiatinnen gemäß ihrem Schönheitsideal zu einer möglichst hellen Hautfarbe. Und Otto erfindet sich mit immer spezialisierteren Online-Shops ständig neu.

Die Treiber solcher Innovationen sind zwar meist die Unternehmen - ihre Entwicklungsabteilungen, das Marketing. Die Köpfe dahinter, die Ideengeber sitzen dagegen immer häufiger in Trendbüros. "Wir sind die Unternehmensberater der Zukunft" sagt Nils Müller vom Trendbüro Trendone, das in einer Villa in Altona zehn Mitarbeiter beschäftigt. Sie arbeiten mit 80 Scouts in Metropolen wie Berlin, Peking oder St. Petersburg zusammen, die Augen und Ohren am Markt haben und Entwicklungen aus aller Welt nach Hamburg melden. "In Korea sehen wir die neuesten Trends für Handys, aus Israel kommen Software-Innovationen, das Silicon Valley ist führend bei Impulsen für das Internet", erklärt Müller die Arbeitsweise seiner Mitarbeiter, die in ihren lichtdurchfluteten Büros mit Blick auf die Elbe die Informationen aus aller Welt sammeln und für Kunden wie Airbus oder Bacardi interpretieren.

Hamburg ist inzwischen Deutschlands Hochburg für Trendbüros. Den Anfang machten Anfang der 90er-Jahre Matthias Horx und Peter Wippermann. Ihr Trendbüro war die deutsche Antwort auf Faith Popcorn aus den USA. Die Zukunftsforscherin prognostizierte in ihrem Popcorn Report schon in den 1980ern Trends wie das Cocooning, also den Rückzug ins häusliche Privatleben.

Inzwischen arbeiten acht renommierte Trendbüros in der Hansestadt, darunter die Urzelle "Trendbüro", das Zukunftsforschungsinstitut des Zigarettenherstellers B.A.T. mit Prof. Horst Opaschowski, See More, Key Values oder Sturm und Drang. Die Firmen beschäftigen 75 Trendspezialisten und Hunderte freie Experten aus allen möglichen Wissensgebieten. "Die Stadt ist nicht nur der Hafen zur Welt", begründet Stefan Baumann vom Trendbüro Sturm und Drang die Bedeutung Hamburgs als Lieblingsplatz seiner Zunft, "sie ist damit auch Zielort für Produkte aus aller Welt und liegt am Strom der Veränderung". Auch die Verlage beflügeln die Branche: "Wir sind die Medienparasiten, die Metabeobachter", sagt Nils Müller mit Blick auf Rechercheure in seiner Branche, die Signale für gesellschaftlichen Wandel aus Magazinen filtern und verarbeiten.

Die Trendforscher, die sich an diesem Morgen zum Gespräch mit dem Abendblatt verabredet haben, allesamt eloquente Unternehmer, leger gekleidet ohne Krawatte, glauben an eine glänzende Zukunft ihrer Branche. "In drei Jahren werden in Hamburg dreimal so viele Trendforscher beschäftigt sein", schätzt Nils Müller. Bisher sei die Branche noch eine Art "Freakshow", allerdings belegten der erste Studiengang für Trendforschung in Berlin, erste Branchentreffen und Preise, dass sich die Sparte als echter Wirtschaftsfaktor etabliere.

Zunehmend leisteten sich auch die Unternehmen selber eigene Trendabteilungen, darunter die Allianz und die Deutsche Telekom. Die Märkte und die Bedürfnisse entwickelten sich heute so schnell weiter, dass Firmen nicht mehr nur durch Marktforschung aktuelles Konsumverhalten beobachten, sondern Erfordernisse von morgen vorausahnen müssten. "Wir suchen nach Lösungen für Probleme, die heute vielleicht noch gar nicht existieren", sagt Stefan Baumann von Sturm und Drang, die neben dem Firmensitz in der Hansestadt Partnerbüros in Berlin, Peking und Zürich unterhalten. Zugleich müsse die Branche den Unternehmen den besten Zeitpunkt für die Einführung von Produkten nennen. Rolf Buchholz von Key Values: Die heute viel diskutierte Technologie der Lokalisierungsdienste für Handys sei von Seglern schon in den 90er-Jahren genutzt worden, um sich auf den Weltmeeren zurechtzufinden. Für den Massenmarkt sei damals die Zeit aber noch nicht reif gewesen, glaubt Buchholz.

Auch die Stadt selber glaubt an ihre Zukunftsanalysten: So plant die Behörde für Kultur und Medien einen Runden Tisch "Trendforschung" mit den Hamburger Büros. "Wir wollen dieses Potenzial für Hamburg stärker nutzen und nach außen sichtbarer machen", sagte Behördensprecherin Claudia Fregiehn dem Abendblatt.