Walter Scheuerl, Sprecher der Initiative “Wir wollen lernen!“

Hamburger Abendblatt:

1. Was muss die Volksinitiative Kita-HH tun, damit sie genauso einen Erfolg hat wie Ihre Initiative?

Walter Scheuerl:

Kita-HH wird es schwer haben, an den Erfolg von "Wir wollen lernen!" anzuknüpfen. Denn die Forderung nach Vollfinanzierung der frühkindlichen Förderung in der Kita durch den Steuerzahler wird der Allgemeinheit in der gegenwärtigen Phase der Sparbeschlüsse schwerer zu vermitteln sein als unsere Forderung nach einem guten Schulsystem.

2. Droht Senator Dietrich Wersich ein ähnliches Fiasko wie Christa Goetsch?

Scheuerl:

Voraussichtlich nicht. Denn zu einem verbindlichen Volksentscheid wird es nicht kommen, weil die von Kita-HH angemeldete Vorlagefrage direkt in künftige Haushalte und die Abgabenhoheit der Bürgerschaft eingreifen möchte. Damit verstößt sie gegen Artikel 50 der Hamburgischen Verfassung. Dennoch kann Kita-HH mit einer großen Zahl von Unterschriften politischen Druck aufbauen.

3. Was läuft falsch in der Hamburger Politik, wenn sich immer wieder Initiativen bilden?

Scheuerl:

Die Hamburger Politik wird zurzeit in vielen Bereichen von Parteipolitikern bestimmt, von denen einige in ihren Ressorts über keine oder nur über eine begrenzte fachliche Kompetenz verfügen. Die Bürger merken das und sehen, dass parteipolitische Entscheidungen von sachfremden, oft machtorientierten Erwägungen geleitet werden. Mit der Gründung von Volksinitiativen zeigen die Bürger, dass sie bereit sind, sich sachpolitisch zu engagieren und falsche Entscheidungen der Politiker zu korrigieren.

4. Machen zu viele dieser Initiativen die Stadt vielleicht irgendwann sogar unregierbar?

Scheuerl:

Nein, im Gegenteil: Volksgesetzgebungsverfahren auf Landesebene führen, wenn sie erfolgreich sind, zu Entscheidungen, die langfristig von einem großen gesellschaftlichen Konsens getragen werden. Das schafft Vertrauen in diese Entscheidungen. Eine solche Kombination von Volksbeteiligung und parlamentarischer Demokratie wird in anderen Ländern seit Jahrzehnten mit Erfolg gelebt. Die Hamburger Parteipolitiker müssen sich nur noch an die Form der direkten Demokratie gewöhnen.

5. Würden Sie die neue Kita-Initiative unterstützen?

Scheuerl:

Das Ziel einer kostenlosen frühkindlichen Erziehung unterstütze ich. Andere Städte bieten auch beitragsfreie Kita-Betreuung an. Das aktuelle Volksgesetzgebungsverfahren als solches würde ich allerdings wegen der verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Formulierung der Vorlagefrage nicht unterstützen. Das hätte man anders formulieren müssen.