Mit seiner Firma Bigpoint hat sich Heiko Hubertz aufgemacht, den Onlinespielemarkt in den USA zu erobern - und sucht 250 Mitarbeiter.

Hamburg. Zwölf Millionen Deutsche führen ein Doppelleben. Steuerberater zücken in ihrer Zweitexistenz als Seeräuber den Säbel, Manager morden Mafiosi, Briefträger bestellen ihre Bauernhöfe. Und alles, ohne auch nur das Haus zu verlassen. Oder in eine Spielkonsole zu investieren. Das Internet macht solche Doppelleben möglich. Sie können Tage, Monate, sogar Jahre andauern und bescheren den Herstellern der Onlinespiele saftige Gewinne.

Einer der Herrscher über unzählige Doppelleben in der virtuellen Welt ist Heiko Hubertz. Ein norddeutscher Jung, der in Hamburg mit der Firma Bigpoint ein Imperium mit mehr als 50 browserbasierten Spielen aufgebaut hat. Seine offene, jungenhafte Art und die fröhlichen braunen Augen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass er genau weiß, was er will. Und wie er es bekommt. Mit unternehmerischem Instinkt hat er Bigpoint innerhalb von acht Jahren unter die Weltmarktführer bei Onlinespielen gebracht - ein Milliardenmarkt, dem zweistellige Wachstumsraten zugeschrieben werden, während Konsolenspiele stagnieren. Bigpoint selbst wächst noch schneller als die Branche: Von Jahr zu Jahr verdoppelt das Unternehmen sowohl die Umsätze als auch die Zahl der Mitarbeiter. Mit seinen 34 Jahren ist Hubertz jetzt Chef von 515 Beschäftigten. 250 Stellen sind zurzeit offen.

Heiko Hubertz will aber noch höher hinaus. Deshalb führt er nun auch in der realen Welt ein Doppelleben: Seit März pendelt er zwischen Hamburg und San Francisco. Dort baut er im Silicon Valley, als Nachbar von Technologiegiganten wie Apple und Google, eine amerikanische Dependance seiner Hamburger Firma auf. Und erfüllt sich einen Lebenstraum: "Wir wollen im amerikanischen Markt die Nummer eins werden." Klingt nach Größenwahn. Ist aber eine realistische Selbsteinschätzung. "Noch herrscht in den USA kein starker Wettbewerb - die Amerikaner haben sich lange auf Konsolenspiele konzentriert", erklärt Hubertz.

Tatsächlich haben US-Firmen den boomenden Milliardenmarkt der Onlinespiele mit jahrelanger Verspätung entdeckt. Der taumelnde Spieleriese Electronic Arts investiert erst seit 2009 in die Entwicklung von Browsergames, Ende Juli stieg der Unterhaltungskonzern Disney für eine halbe Milliarde US-Dollar beim Spieleentwickler Playdom ein. "Wir sehen in diesem Bereich große Wachstumschancen", begründete Disney-Chef Robert Iger den stolzen Preis - immerhin wurde Playdom erst vor zwei Jahren gegründet und zählt 42 Millionen Nutzer in seinem Spieleportal. Dagegen sind die Hamburger mit ihren 133 Millionen registrierten Spielern (täglich kommen 250 000 neue Nutzer aus aller Welt dazu) und acht Jahren Erfahrung ein alter Hase im Markt der virtuellen Doppelleben.

Es war die Lust auf ein eigenes Doppelleben, die Heiko Hubertz so erfolgreich gemacht hat. Später auch reich in finanzieller Hinsicht. Damals, vor acht Jahren, programmierte er gemeinsam mit einem Freund ein Fußballspiel, das man über einen Browser im Internet spielen konnte. Der Freundeskreis war begeistert und klickte eifrig mit. Schon bald mussten bessere Server her, damit mehr Leute mitspielen konnten. Eine Abogebühr wollte Hubertz seinen Freunden aber nicht abknöpfen. Also programmierte er Extras, die sich die Spieler kaufen konnten, um schneller das Ziel zu erreichen - das Geschäftsmodell der Gratisspiele war geboren. "Ich habe erst zwei Jahre später gemerkt, in welch gigantische Marktlücke wir gestoßen sind", gibt Hubertz zu.

Denn die Leute zahlten gern. Hier ein paar Euro für Fußballschuhe, mit denen das virtuelle zweite Ich weiter schießt. Da Handschuhe, mit denen der Torwart sicherer fängt. Das Spielen an sich blieb kostenlos, bis heute. Nach Bigpoint-Angaben zahlen zwar nur etwa zehn Prozent der Nutzer für die virtuellen Extras, trotzdem kam 2009 ein dreistelliger Millionenumsatz zusammen - der 2010 wieder weit übertroffen wird. Der Gewinn liegt nach Firmenangaben im zweistelligen Millionenbereich. Um auch hier noch mehr herauszuholen, zieht der Chef überall selbst die Strippen. Mit Mega-Jetlag, aber ohne Kaffee (den er nicht mag), pendelt Hubertz zwischen Eppendorf und Silicon Valley hin und her. Fädelt Kooperationen mit Portalen wie My Space und Yahoo ein, aber auch mit traditionellen Spieleherstellern wie Ravensburger. Organisiert Lizenzen, um Hollywood-Filme in Onlinespiele zu verwandeln. Kauft kleine Spielefirmen aus ganz Deutschland, um sich die besten Entwickler zu sichern.

Das Programmieren überlässt Hubertz schon seit Jahren anderen. "Meine Angestellten können das viel besser als ich", sagt er. Er will nicht nur hoch hinaus, sondern ist auch im Tiefstapeln gut. Auf sein Alter angesprochen lacht er schelmisch. Und sagt: "Mit 34 Jahren bin ich doch schon alt - der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg ist erst 26 Jahre alt und hat weltweit schon mehr als 500 Millionen Mitglieder."

Gegen solche Zahlen hätte Hubertz sicher auch nichts einzuwenden. Sein Selbstbewusstsein reicht durchaus, um sich mit den Internetgrößen der USA zu vergleichen. Schon mit zwölf Jahren als Schulkind im schleswig-holsteinischen Heide wollte er Chef von Coca-Cola werden. Das Informatikstudium an der Fachhochschule Wedel brachte ihm aber eine Stelle als IT-Verantwortlicher bei einer Telekommunikationsfirma. "Ich hab mir gedacht, das kann ich alles selbst", erklärt Hubertz seine Kündigung nach nur 18 Monaten. Seine erste Firma, die Zahlungssysteme per Telefon entwickelte, verkaufte er nach einigen Jahren mit Profit. Von seiner zweiten Firma, Bigpoint, profitierte er noch mehr: 2008 übernahm das Medienhaus NBC Universal mit dem Finanzinvestor GMT Communication Partners 70 Prozent von Bigpoint. Für bescheidene 70 Millionen Euro.

Heiko Hubertz führt die Geschäfte trotzdem weiter. Das war die Bedingung für den Verkauf. "Mir macht die Arbeit bei Bigpoint unheimlichen Spaß", sagt Hubertz. "Ich will etwas Langfristiges schaffen, etwas mit Bestand." Also keine typische Internetbude, die nach drei Jahren vergessen ist. "Ich wünsche mir, dass noch meine Enkel die Bigpoint-Spiele nutzen." Sein bodenständiges Privatleben hilft ihm offenbar dabei, trotz der hochgesteckten Ziele nicht abzuheben. Er ist mit vielen seiner Angestellten befreundet, lässt sich duzen, ist sich für keinen Scherz auf dem Flur zu schade. Der Kumpel, mit dem er damals das erste Spiel programmierte, ist immer noch sein bester Freund. Das Haus, das er vor fast zehn Jahren in Norderstedt kaufte, ist immer noch sein Heim. Und die Frau, mit der er seit zehn Jahren zusammen ist, soll eines Tages auch die Mutter seiner Kinder werden. Das Modell Doppelleben ist für Heiko Hubertz zwar das absolute Erfolgsrezept. Aber nur beruflich.