Die Polizei reagiert mit Telefonüberwachung auf neuen Trend im Rauschgifthandel. Der Handel hat sich von der Straße weg verlagert.

Die offene Drogenszene rund um den Hamburger Hauptbahnhof hat vor fast neun Jahren ihren Teil zum Regierungswechsel beigetragen. Es wurde vom größten offenen Drogenmarkt Europas gesprochen. In St. Georg waren die zeitweise rund 800 Abhängigen und 120 Händler unübersehbar. Laut dem jüngsten Rauschgiftlagebericht der Polizei, der dem Abendblatt vorliegt, ist die offene Drogenszene in Hamburg "erfolgreich zerschlagen" worden und die Zahl der Drogendelikte auf dem niedrigsten Stand seit 1995.

Danach sank die Zahl der in Hamburg von der Polizei festgestellten Rauschgiftdelikte von 13 329 im Jahr 2001 auf 9332 im vergangenen Jahr. Beim Vergleich der letztgenannten Zahl mit der aus dem Jahr 2008, ist ein Rückgang von 1135 Fällen, also 10,8 Prozent, zu verzeichnen. "Unser Ziel war es, die in der Öffentlichkeit wahrnehmbare Drogenkriminalität zu bekämpfen. Wir haben unser Ziel erreicht", sagt Ralf Kunz, Sprecher der Innenbehörde.

Bei der Rauschgiftkriminalität handelt es sich um ein sogenanntes Kontrolldelikt. Die Polizei erfährt also nicht aus Anzeigen, wie etwa bei Körperverletzungen, von den Taten, sondern fast ausschließlich, wenn sie kontrolliert. Von zwischenzeitlich 300 000 Stunden im Jahr fahnden die Beamten mittlerweile nur noch weniger als die Hälfte. "Wir stellen aber nicht weniger Taten fest, weil wir weniger kontrollieren", sagt Polizeisprecher Mirko Streiber. "Wir haben unsere Maßnahmen der Lage angemessen reduziert."

Die Verdrängung der Drogenszene begann mit dem massiven Einsatz der Polizei. Bereits im Jahr 2002 stieg die Zahl der Festnahmen von 340 auf 715 im Vergleich zum Vorjahr. Es sprach sich schnell herum, dass in St. Georg nicht mehr derart gefahrlos gedealt werden konnte wie noch zuvor.

Anschließend verlagerte sich das Drogengeschäft auf U- und S-Bahnen. Nach Bekanntwerden dieses Phänomens kontrollierten die Fahnder dort verstärkt. Erneut wurde die Szene verdrängt. Diese zog sich anschließend in Parks zurück, etwa den Schanzenpark oder den Eilbeker Bürgerpark.

Als Reaktion darauf richtete die Polizei dort sogenannte Kontrollgebiete ein. Das sind Orte, an denen sie Verdächtige ohne einen konkreten Beweis überprüfen darf. Selbst dann, wenn sie nicht mit Drogen handeln. 17 dieser Kontrollgebiete hat die Polizei seit 2001 eingerichtet. Allein im Jahr 2004 waren es sogar 13 gleichzeitig. "Infolge der Lageberuhigung sind es aktuell nur noch zwei", heißt es im Lagebericht der Polizei. Diese befinden sich im Bereich der Balduintreppe auf St. Pauli und rund um die Polizeiwache in St. Georg.

"Der Handel mit harten Drogen hat sich eher von der Straße weg in Wohnungen verlagert", sagt Kriminaldirektor Andreas Lohmeyer, Leiter der Abteilung Verbrechensbekämpfung. Die Szene ist konspirativ geworden. Dealer werden über Handys kontaktiert. Die Nummern kursieren in der Szene. Das hat auch zur Folge, dass die Polizei nun immer mehr das Mittel der Telefonüberwachung einsetzt. "Auch dort setzen wir nach."

Aus dem neuesten Zahlenwerk lässt sich allerdings nicht schließen, dass die Zahl der Süchtigen gesunken ist. Am offensichtlichsten ist dies am "Drob Inn", der Drogenhilfeeinrichtung am Besenbinderhof in der Nähe des Hauptbahnhofs. Täglich versammeln sich dort etwa 300 Abhängige. "Die Szene ist genau genommen auch nicht zerschlagen, sondern geregelt an einen Ort gebracht worden", sagt Peter Möller, Leiter der Einrichtung. Das hat den Vorteil, dass die Szene sich nicht erneut unkontrolliert auf mehrere Stadtteile verteilt und die Polizei sie unter Beobachtung hat.

Rund 15 000 Konsumenten harter Drogen wie Heroin, Crack und Kokain gibt es Hamburg.

Eine Zahl, die seit vielen Jahren konstant ist. Rund 20 Kilogramm dieser Substanzen werden täglich gespritzt, geraucht und geschnupft. "Und der Stoff", sagt Möller, "der muss ja irgendwo herkommen."