Das Bemerkenswerte an der Nachricht, dass SPD und Grüne in Umfragen wieder über eine absolute Mehrheit verfügen, ist der Aufstieg der Grünen seit der Bundestagswahl im Herbst. Die Grünen haben die Chance, an der 20-Prozent-Marke zu bleiben, wenn sie die richtigen Schlüsse aus der annähernden Verdoppelung ihrer Anhängerschaft ziehen. Weshalb sie von der Schwäche der schwarz-gelben Regierung stärker profitieren als die SPD, liegt in einer Strategie der Öffnung begründet, die Parteichef Özdemir nach der Bundestagswahl im Abendblatt-Interview beschrieben hat: Die Grünen lösen sich aus dem linken Lager. Sie begreifen sich als Partei in der Mitte der Gesellschaft und des politischen Spektrums, die ebenso gut mit Union und FDP regieren kann wie mit SPD und Linkspartei - sofern die Inhalte stimmen. Und es wird deutlich, dass die Schnittmenge gerade von CDU und Grünen größer ist, als manche glauben machen wollen.

Der Machtwechsel in Nordrhein-Westfalen, der Abtritt von Ole von Beust in Hamburg und die neuen Umfragen haben Träume von einer rot-grünen Renaissance beflügelt. Sie können jäh zu Ende sein, sollten sich die Grünen wieder ins linke Schneckenhaus zurückziehen. Denn die Haltung, allenfalls in Stadtstaaten mit bürgerlichen Parteien zu koalieren, versperrt den Grünen bürgerliches Potenzial. Wie schnell die Wähler einer Partei ihre Gunst entziehen können, zeigt das Beispiel der FDP.