Taiga kam 1996 nach Hamburg, das Männchen Sascha kurz danach. Schon bei der ersten Begrüßung funkte es zwischen den Großkatzen.

Hamburg. Sie prustet ihn fröhlich zur Begrüßung an und wartet darauf, dass er mit ihr spielt. Was Reviertierpfleger Uwe Fischer (46) auch nur zu gerne tut - wenn auch mit dem sicheren Gitter dazwischen. Denn auch wenn man bei Taiga gerne verdrängt, dass sie nächsten Monat bereits 16 Jahre alt wird, sollte man nicht vergessen, was sie ist: eine ausgewachsene Sibirische Tigerin. "Die allerdings gerne ein Schoßkätzchen geworden wäre", sagt Fischer und lacht.

Die in Prag geborene Großkatze sei "verspielt wie am ersten Tag", sagt der Tierpfleger, "und das trotz des hohen Alters." Taiga kam 1996 nach Hamburg, das Männchen Sascha kurz danach. Es war Liebe auf den ersten Pruster (Tiger schnauben sich zur freundlichen Begrüßung an): "Sie haben sehr schnell angefangen, zusammen zu züchten, und verstehen sich auch sonst außergewöhnlich gut."

Ein Glücksgriff für Hagenbeck, denn bei den ausgemachten Einzelgängern ist das nicht selbstverständlich. Über den großen Zuchterfolg freute man sich sogar weit über Hamburgs Grenzen hinaus: Da Sibirische Tiger mit einem Freilandbestand von gerade einmal noch 500 Tieren stark vom Aussterben bedroht sind, werden die Zoobestände unter anderem über das Europäische Erhaltungszuchtprogramm (EEP) koordiniert. Und da ist man über jedes kleine, die ersten zwei Lebenswochen blinde Kätzchen dankbar, das hilft, den Fortbestand zu sichern. Wobei es sich bei dem Sibirischen Tiger, der auch Amurtiger genannt wird, um eine Unterart handelt.

Dass Taiga und Sascha seit 2002 keine Nachkommen mehr bekommen haben, hat einen tragischen Hintergrund: Von dem damaligen Wurf starben die Katze Kiara und der Kater Tarik nach nur wenigen Monaten. Allein Bruder Taskan überlebte. Langwierige Untersuchungen zeigten schließlich einen Gendeffekt als Ursache. So wurde beschlossen, Taiga und Sascha, die ihre Gene bereits mit acht weiteren gesunden Nachkommen gut verteilt hatten, nicht mehr zur Zucht kommen zur lassen. Fischer: "Anfänglich trennten wir Taiga im angrenzenden Mutter-Kind-Gehege ab, wenn sie rollig wurde. Aber dann jammerte sie pausenlos nach ihm." So entschloss man sich schließlich, die Tiger wieder ihr natürliches Verhalten ausleben zu lassen - und machte nur einen kleinen Schnitt. "Bei einer Vasektomie bei Sascha wurden seine Samenleiter durchtrennt. Jetzt macht's noch Spaß, aber nicht mehr dick", sagt der Tierpfleger mit einem Augenzwinkern. Und die Operation hatte den Vorteil, dass man sie hätte rückgängig machen können - hätte der Kater noch eine neue Partnerin bekommen.

Etwa 120 Kilo wiegt Taiga, Sascha ein wenig mehr, und das bei 2,20 Meter Körperlänge - plus einem Meter Schwanz. Zusammen mit einer Schulterhöhe von 1,10 Metern macht das die Sibirischen Tiger zu den größten lebenden Katzen der Welt. Und sie vielleicht auch deshalb so begehrt: Sowohl ihr dickes Fell (muss Temperaturen von bis zu minus 45 Grad Celsius trotzen), aber auch ihre Knochen (finden Verwendung in der traditionellen chinesischen Medizin) werden auf dem Schwarzmarkt ihrer Ursprungsländer immer noch gehandelt. Auch wenn seit 1987 ein Handelsverbot für Tigerprodukte besteht, die Jagd auf Sibirische Tiger verboten wurde und selbst China den Binnenhandel mit Tigerknochen 1993 untersagte.

Dinge, um die sich Taiga keine Gedanken machen muss. Sie freut sich weiter jeden Tag auf Uwe Fischer, geht gerne in den Wassergraben ("Früher ist sie richtige Bahnen geschwommen") und bestaunt tierischen Besuch: Als neulich, so Fischer, ein Kronenkranich bei den Tigern auf die Anlage flatterte, machten die Raubtiere nicht gleich kurzen Prozess. Sondern legten sich erst einmal abwartend ins Gras und beobachteten den komischen Vogel, der ihnen mit ausgebreiteten Flügeln drohte. Fischer: "So etwas hatten sie noch nie gesehen!" Am Ende konnten die Tierpfleger die Tiger ins Haus locken und den Kranich in Sicherheit bringen.

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