Viel mehr Familien müssen den Höchstsatz zahlen als vom Senat behauptet. In manchen Kindergärten gibt es schon Dutzende Abmeldungen

In diesen Tagen bekommen es Hamburgs Eltern schwarz auf weiß. Bei Anne Menche aus Bergedorf ist der Bescheid schon eingetroffen. Die Ärztin wird für die Betreuung von Sohn Lukas, 2, ab Ende August 100 Euro mehr pro Monat zahlen müssen. Eine "hohe finanzielle Belastung", zumal Anne Menche oft im Schichtdienst arbeitet und zusätzlich zur Kita noch einen Babysitter bezahlen muss. Sie glaube, dass die Eltern Kosten übernehmen müssten, für die eigentlich die Stadt und die Bezirke zuständig seien, klagt die 31-Jährige.

In Bergedorf werden nach jetzigem Stand 970 weitere Eltern den gleichen Bescheid wie Anne Menche in ihren Briefkästen finden. Deutlich mehr als bisher angenommen. Die Unmut der Eltern im Bezirk ist schon jetzt spürbar. Eine Kita-Leiterin, die nicht genannt werden möchte, berichtet von der Angst "ihrer" Eltern, eine andere von 40 Abmeldungen allein aufgrund der Erhöhung des Essensbeitrags. Seit Mitte Mai müssen bereits alle Eltern mehr für das Mittagessen ihrer Kinder zahlen, im Krippen- und Elementarbereich 21 statt bisher 13 Euro, im Hort sogar 42 Euro im Monat. Und jetzt noch die Gebühren.

Im Bezirk Nord treffen diese die Eltern noch härter. 29 Prozent der 12 225 angeschriebenen Kita-Eltern müssen nach derzeitigen Berechnungen den neuen Höchstsatz und damit 100 Euro mehr bezahlen. Die Anzahl derjenigen, die künftig ebenfalls mit einer Erhöhung zwischen fünf und 100 Euro rechnen müssen, ist noch gar nicht bekannt.

Ein Stimmungstest in den Kitas ergibt ein eindeutiges Ergebnis. "Bei uns sind etwa 30 Prozent der Eltern von der Erhöhung um 100 Euro betroffen", sagt Michael Nuessen von der Kita Monetastraße. Abmeldungen habe es schon gegeben, außerdem überlegten viele Eltern, ab August die Betreuungsstunden zu reduzieren.

Ärgerliche Eltern, Klagen, Protestaktionen, die Angst, aufgrund von Abmeldungen Personal abbauen zu müssen, das sind Stichworte, die in fast jeder befragten Kita fallen. Und überall dieselbe Aussage, dass sehr viele Eltern von der Erhöhung um 100 Euro betroffen seien.

Und noch längst haben nicht alle Hamburger Eltern einen endgültigen Bescheid bekommen. In den Bezirken rechnen die Sacharbeiter noch, warten auf Rückmeldungen, werten Einkommensnachweise aus. Doch da Nord und Bergedorf nicht als überdurchschnittlich wohlhabende Bezirke gelten, dürften die Zahlen in den übrigen fünf ähnlich sein. In den beiden Bezirken Bergedorf und Nord liegt das Einkommen, nach dem die Gebühren berechnet werden, im Schnitt unter dem von Altona, Eimsbüttel und Wandsbek. Das zeigen die letzten vom Statistikamt Nord erhobenen Zahlen von 2004.

In allen Bezirken können die Sachbearbeiter aber schon absehen, dass die Zahl der Widersprüche verschwindend gering ausfällt. In Altona sind es 79 bei rund 19 000 verschickten Bescheiden, in Mitte 20, in Wandsbek 50, in Harburg zehn. Carola Veit, Kita-Expertin der SPD, rät allen betroffenen Eltern, Widerspruch gegen die Bescheide einzulegen. "Die Behörde hat vor dem Sozialgericht eingeräumt, dass Widersprüche eine aufschiebende Wirkung haben", sagt sie. Solange über die Widersprüche entschieden wird, zahlt man weiterhin den alten Satz. Die Differenz übernimmt derweil die Sozialbehörde, sodass den einzelnen Kitas kein Geld fehlt. Sollte der Widerspruch allerdings abgewiesen werden, seien die Beträge rückwirkend fällig, so die Sprecherin der Sozialbehörde, Julia Seifert.

Zudem gibt es die Möglichkeit, Härtefallanträge beim Jugendamt zu stellen. Hohe Mieten, laufende Hypotheken, zu pflegende Personen - all das könnten Gründe sein, um den Beitrag zu senken, so Claudia Wackendorff, Sprecherin des Landeselternausschusses Kindertagesbetreuung (LEA). Im besten Fall könne man so bis zu 200 Euro pro Monat sparen.

Der LEA ist auch Initiator einer Volkspetition gegen die Gebührenerhöhung. 10 000 Unterschriften sind nötig, 42 500 reichten Wackendorff und ihre Mitstreiter im Juni ein. Nach der Sommerpause muss es nun eine Anhörung vor dem Familienausschuss geben. Doch man denkt schon weiter: "Im August wollen wir zudem eine Volkinitiative starten", sagt Wackendorff. Das ist der erste Schritt zu einem Volksentscheid. Zunächst werden 10 000 Unterschriften benötigt, im zweiten Schritt - dem Volksbegehren - dann rund 63 000. Danach könnte das Volk entscheiden. Allerdings ist es juristisch schwierig, einen Volksentscheid gegen Gebühren oder Steuern durchzusetzen.

Auch Jessica Hahme, 33, hat aus Protest bereits Unterschriften gesammelt. Die Mutter eines zweijährigen Sohnes wird zwar nicht zu den Höchstsatzzahlern gehören, weil sie ein zweites Kind erwartet und ihre Stundenanzahl als Produktmanagerin demnächst reduziert. Gegen höhere Beiträge wehrt sie sich dennoch. "Da wird immer von Familienfreundlichkeit geredet, aber von der Politik kommt nichts", sagt die Bergedorferin. "Im Gegenteil, uns Eltern werden Steine in den Weg gelegt."

Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) hatte die Erhöhung mit Blick auf die Finanzkrise als "unvermeidbar" bezeichnet. Um rund neun Millionen Euro sollen die Eltern den Kita-Haushalt entlasten. Angesichts der neuen Zahlen dürften die Mehreinnahmen sehr viel höher ausfallen. Einen wird es freuen: Finanzsenator Carsten Frigge.