Auf der Verpackung steht Rot-Grün, aber in Wahrheit ist Rot-Rot-Grün drin.

Nicht irgendwo in den neuen Ländern, sondern in Nordrhein-Westfalen. In Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland hat sich Hannelore Kraft gestern von der Linken in die Steigbügel helfen lassen. Die SPD-Frau lässt damit das Magdeburger Modell aus den 90er Jahren wieder aufleben, das man längst untergegangen geglaubt hatte: eine rot-grüne Minderheitsregierung, die auf das Wohlwollen der SED-Nachfolgepartei angewiesen ist.

Sie wolle mit allen Abgeordneten zusammenarbeiten, hat die neue Ministerpräsidentin nach ihrer Vereidigung gesagt. Und dass parteipolitische Interessen jetzt hinter dem Wohl des Landes zurückstehen müssten. Tatsächlich bedient Kraft vor allem die Interessen ihrer eigenen Partei. Gerade hat sich ja erhellt, warum die 49-Jährige Mitte Juni plötzlich aufgehört hatte, wie eine tibetanische Gebetsmühle zu klappern, die NRW-Linke sei "weder regierungs- noch koalitionsfähig": Die Berliner Parteizentrale hatte einen Wunsch geäußert, und Kraft war dieser Wunsch Befehl gewesen.

Seit SPD-Parteichef Sigmar Gabriel am Sonntag öffentlich über die vermeintliche Notwendigkeit von Minderheitsregierungen - unter Umständen sogar im Bund - sinniert hat, ist die Katze aus dem Sack. Und es ist geradezu atemberaubend, mit anzusehen, wie freudig sich die Genossen darauf stürzen. Prompt erklärte Generalsekretärin Andrea Nahles, diese Minderheitsregierung könne mit ihrem "Charme" die politische Kultur beleben. Anschließend legte Hamburgs ehemaliger Erster Bürgermeister Henning Voscherau den Sozialdemokraten und Grünen in der Hansestadt nahe, im Falle eines Rücktritts von Ole von Beust (CDU) das Düsseldorfer Modell zu kopieren und einen von der Linken tolerierten Minderheitssenat zu bilden. Er werfe einen Stein ins Wasser, hat Voscherau gemütlich gesagt. Erwin Sellering, der in Mecklenburg-Vorpommern regiert, findet das Düsseldorfer Modell überzeugend, Sachsens SPD-Chef Martin Dulig glaubt sogar, dass dadurch die demokratische Kultur gestärkt wird.

Das alles lässt nur einen Schluss zu: Die SPD hat aus dem Magdeburger Modell nichts gelernt. Was angeblich der "Entzauberung" der PDS dienen sollte, wie die Linke damals noch hieß, hat nur bewirkt, dass sie salonfähig wurde und im Bundestag schließlich auf Fraktionsstärke wuchs. In Düsseldorf macht sie diesen Fehler jetzt zum zweiten Mal. In Magdeburg hat die SPD vor den Sozialisten, die ihr am linken Rand die Wähler wegnahmen, übrigens am Ende kapituliert. Sage niemand, Geschichte könne sich nicht wiederholen.