410 Minderjährige wurden in Hamburg im vergangenen Jahr unter staatliche Kuratel gestellt, weil die Eltern schlicht überfordert waren.

Hamburg. Hätten die Behörden rechtzeitig reagiert und die neun Monate alte Lara-Mia aus der Gefahrenzone Familie gebracht - womöglich hätte das Leben des am Ende dramatisch abgemagerten Mädchens gerettet werden können. Morgen wird das Landgericht im Prozess gegen die Eltern des im März 2009 gestorbenen Säuglings das Urteil verkünden. Die zwei wegen versuchten Totschlags durch Unterlassen angeklagten Heranwachsenden sollen Lara-Mia nicht ausreichend mit Nahrung versorgt haben. Vermutlich wird die Kammer dabei auch die Verantwortung der Behörden an dem Desaster ansprechen.

Dabei können der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) sowie der Kinder- und Jugendnotdienst Minderjährige ohne große Umstände und kurzfristig in Obhut nehmen, um sie vor Gefahren in ihren Familien zu schützen.

Immer öfter - das belegen Zahlen des Statistischen Bundesamts - machen auch Hamburger Jugendämter Gebrauch von diesem Instrument. 1325 Mädchen und Jungen, vor allem Jugendliche ab 14 Jahren, kamen 2009 unter die vorübergehende Aufsicht der Behörden und wurden zum Großteil in einer Betreuungseinrichtung untergebracht. Das entspricht im Vergleich zu 2008 einem Zuwachs um sieben Prozent. Gegenüber 2004 beträgt die Steigerung sogar 31 Prozent. Die Zahl der von den Schutzmaßnahmen unterstützten Kinder unter 14 Jahren ging indes um 15 Prozent zurück.

"Nach dem Tod von Lara-Mia ist die Öffentlichkeit für das Thema Kinderschutz sensibilisiert", sagt die Wandsbeker Bezirkssprecherin Christiane Kuhrt. "Damit hat sich auch die Meldebereitschaft der Bürger erhöht. Der ASD profitiert von besseren rechtlichen Grundlagen und einer besseren Vernetzung mit der Polizei und den Behörden." Markus Schreiber, Amtsleiter des Bezirks Mitte: "In den Behörden wird genauer hingeguckt." Zudem müssten die Jugendämter immer häufiger einschreiten, weil Eltern mit der Erziehung ihrer Kinder nicht zurechtkämen. Das belegt auch die Statistik: 410 Minderjährige wurden 2009 unter staatliche Kuratel gestellt, weil die Eltern schlicht überfordert waren.

Die Zahlen erklärt die Sozialbehörde mit dem gestiegenen Anteil "unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge". 2009 nahmen die Jugendämter 329 ausländische Kinder und Jugendliche, die allein nach Hamburg gekommen waren, in Obhut - fast viermal so viel wie im Jahr zuvor. Dabei handele es sich meist um Kinder aus Afghanistan, die in Jugendwohnungen und Kinderschutzhäusern untergebracht werden.

Rückläufig ist hingegen die Zahl der Inobhutnahmen nach einer akuten Kindeswohlgefährdung wegen des Verdachts der Vernachlässigung, des sexuellen Missbrauchs oder der Misshandlung. Kamen 2008 noch 177 Minderjährige nach Anzeichen von Misshandlung unter behördliche Aufsicht, waren es 2009 40 weniger. Weniger Inobhutnahmen sprächen in diesen Fällen womöglich für die verbesserte Arbeitsweise des ASD, sagt Kuhrt. "Es ist nicht auszuschließen, dass öfter erfolgreich interveniert werden konnte."