Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar hält das Auffangen der Handysignale für rechtlich “nicht unbedenklich“ .

Hamburg. Vor dem Flug schnell noch eine Zeitschrift kaufen, ein neues T-Shirt anprobieren oder einen edlen Füller als Geschenk mitnehmen: Der Hamburger Flughafen hat sich längst zu einem Shoppingparadies für einheimische und ausländische Gäste entwickelt. Was die Besucher nicht wissen: Beim Schlendern durch die Airport Plaza folgt ihnen ein unsichtbares System auf Schritt und Tritt. Seit Mai lässt der Flughafen nämlich die Handysignale der Gäste aufzeichnen, um daraus eine Kundenstromanalyse zu erstellen. Die Airport-Manager möchten wissen, wie lange sich die Passagiere im Wartebereich der Airlines aufhalten oder an welchen Geschäften sie vorbeilaufen, um das Angebot im Flughafen künftig optimieren zu können.

Dieses Vorgehen könnte die Betreiber möglicherweise in Konflikt mit dem Datenschutz bringen: Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar hält das Auffangen der Handysignale für rechtlich "nicht unbedenklich" und hat eine Prüfung des Verfahrens angekündigt.


Das System, das die Passagiere auf ihrem Weg durch den Flughafen verfolgt, macht sich das sogenannte Bluetooth-Signal zunutze, das viele moderne Mobiltelefone aussenden. Das Signal dient normalerweise der Verbindung mit anderen elektronischen Geräten wie beispielsweise drahtlosen Kopfhörern oder der Freisprechanlage im Auto. "Flughafenbesucher, die Bluetooth auf ihrem Handy aktiviert haben, werden von unserem System erfasst", sagt Elmar Pirsich, Geschäftsführer der Ottenser Firma Wertbar Consulting, die das Verfahren entwickelt hat. "Wir haben im ganzen Flughafen insgesamt 25 Sender aufgestellt, die einen Impuls aussenden und auf Antwort der Handychips warten." Je nachdem, wie der Sender eingestellt ist, lässt sich der Standort eines Mobiltelefons damit auf bis zu einen Meter genau orten.

Die ersten Resultate sind erstaunlich: "Wir erfassen bis zu dreißig Prozent aller Gäste, die den Flughafen besuchen", sagt Pirsich. "Für eine aussagekräftige Analyse wären lediglich zwei Prozent erforderlich." Mithilfe des Verfahrens lassen sich viele Fragen beantworten, die den Airport-Betreiber brennend interessieren: Gehen die Passagiere nach der Sicherheitskontrolle direkt zum Flieger oder schlendern sie noch lange durch die Geschäfte? Wo befinden sich die toten Ecken im Flughafen? Und was unterscheidet einen typischen Sonntag von einem Werktag?

"Am Wochenende ist die Verweildauer in den Shops zum Beispiel länger, weil mehr Urlauber und weniger Geschäftsleute unterwegs sind, die in der Regel nicht so viel Zeit haben", sagt Oliver Gadow, Co-Geschäftsführer von Wertbar Consulting. In Kanada, wo die Hamburger ihr System ebenfalls im Einsatz haben, kamen sie gerade einem interessanten Phänomen auf die Spur: "Je länger die Passagiere dort an den Sicherheitsschleusen verbringen, desto länger halten sie sich danach in angrenzenden Geschäften auf", so Gadow. Ob sich die Fluggäste für die lange Wartezeit mit einem Einkauf belohnen wollen oder ob sie einfach nur generell mehr Zeit als andere Passagiere mitbringen, haben die Hanseaten allerdings noch nicht herausgefunden.

Die Kundenströme lassen sich mit dem neuen System quasi in Echtzeit abfragen, was dem Flughafen auch neue Servicemöglichkeiten eröffnet. "Wenn unser Programm meldet, dass die Aufenthaltsdauer am Security-Check eine bestimmte Zeit überschreitet, könnte der Flughafen eine Durchsage machen, dass sich die Passagiere schnell in diesen Bereich begeben sollen, weil sie mit einer längeren Wartezeit rechnen müssen", sagt Elmar Pirsich. Ein solcher Service ist im Hamburger Flughafen derzeit aber noch nicht möglich, da die Bundespolizei einem Einsatz des Systems an den Gepäckkontrollen bislang nicht zugestimmt hat.


Datenschützern bereitet die Erfassung der Mobiltelefone ohnehin erhebliche Bauchschmerzen. "Bei den sogenannten MAC-Adressen, die dort per Bluetooth übermittelt werden, kann es sich aus meiner Sicht um personenbezogene Daten handeln", sagt Hamburgs Datenschutzbeauftragter Caspar. Würden diese Adressen beispielsweise mit Bildern aus Videokameras verknüpft, so ließe dies einen direkten Rückschluss auf den Benutzer zu. "Der Betreiber muss ausschließen, dass solch eine Verknüpfung geschieht", so der Experte. Außerdem hält es der Datenschützer für sinnvoll, die übermittelten Adressen so zu kürzen, dass eine Identifizierung des Nutzers auf diesem Wege ebenfalls ausgeschlossen wird. "Sonst besteht die Gefahr, dass bei missbräuchlicher Verwendung der Daten Bewegungsprofile erstellt werden, die letztlich dazu dienen, einen gläsernen Kunden zu schaffen." Der Datenschutzbeauftragte hatte sich erst jüngst mit dem Internetriesen Google angelegt, der bei der Erfassung von Straßenzügen nebenbei auch Adressen privater, drahtloser Netzwerke gesammelt hatte.

Aus Sicht des Flughafens und des Betreiberunternehmens Wertbar ist die Handyortung über Bluetooth hingegen unproblematisch. "Es geht nicht darum, jemanden auszuspionieren", sagt Wertbar-Chef Pirsich. "Es werden weder die Telefonnummer noch irgendwelche anderen persönlichen Daten übertragen." Die Adressen der Handys würden zudem nur verschlüsselt gespeichert. Dies bestätige auch ein rechtliches Gutachten, das die Firma anfertigen ließ.


Eben weil er das Verfahren für unproblematisch hält, sieht Pirsich bereits eine ganze Reihe von weiteren Einsatzmöglichkeiten für das System. "Die Kundenstromanalyse ist unter anderem für Einkaufszentren, Bahnhöfe oder Messen interessant." Aktuell befindet sich das Unternehmen in Gesprächen mit großen Shoppingcenterbetreibern in Deutschland.

Datenschützer Caspar erwartet, dass es in Zukunft zu einer umfassenden Diskussion über die Verwendung von Mobilfunkdaten kommen wird. Erst vor wenigen Tagen war der Computerhersteller Apple in die Kritik geraten, weil er in den Geschäftsbedingungen das Recht für sich reklamierte, jederzeit den Aufenthaltsort aller iPhone-Nutzer aufzeichnen zu dürfen. Kritiker sprachen vom Datenkraken Apple. "Letztlich betreten wir mit der Erfassung von Handydaten datenschutzrechtliches Neuland", so der Experte. "Wir müssen uns dazu in den kommenden Monaten eine Meinung auf Bundesebene bilden."