Wie sich die Linkspartei in der Bundesversammlung demaskiert

Die Nacht zum 1. Juli 1990 ging in die Geschichte ein - als Moment, der Ost und West zu einer Währungsunion vereinte. Auch die Wahlnacht zum 1. Juli barg den Hauch des Historischen, bewies sie doch, dass die Linkspartei noch immer Probleme hat, im vereinten Deutschland anzukommen. Obwohl ihre Präsidentschaftskandidatin Luc Jochimsen im entscheidenden Wahlgang nicht mehr antrat, wechselte nicht einmal eine Handvoll der linken Wahlmänner in das Lager des rot-grünen Kandidaten Joachim Gauck.

Für SPD und Grüne ist das der maximale Affront. Ausgerechnet das Bündnis, das in Nordrhein-Westfalen auf Unterstützung durch die Linke hofft, wird in der Bundesversammlung von dieser Partei ausgebremst. Und die abenteuerlichen Begründungen streuen noch Salz in die Wunde. Geschichtsvergessen betont der Linken-Parteichef Klaus Ernst, Gauck vertrete "diametral" andere Positionen als die Linke. So ein Satz gegenüber einem Bürgerrechtler, der als "Mann der Freiheit" fast überall geschätzt wird, lässt tief blicken. Und damit nicht genug: Der Abgeordnete Diether Dehm fühlte sich bei der Wahl zwischen Wulff und Gauck an eine Wahl gar "zwischen Hitler und Stalin" erinnert. Mit einer derartigen Weltsicht erinnert die Linkspartei des Jahres 2010 fatal an die PDS des Jahres 1990.

Doch das Verhalten der Linkspartei bekommt noch ein weiteres Geschmäckle durch ihr Abstimmungsgebaren. Das Grundgesetz betont in Artikel 38, dass das Mandat frei und eben nicht an eine Partei gebunden ist. Der Auftritt des Linken-Fraktionschefs Gregor Gysi sah anders aus. Der erklärte munter, weder Wulff noch Gauck seien für die Partei wählbar. Deshalb gehe er davon aus, dass die meisten sich der Stimme enthalten werden. Als gäbe es noch ein imperatives Mandat wie in der Volkskammer, folgte die Partei Gysi.

Die Wahl war der Test für den Veränderungswillen der Ex-Sozialisten; die Partei ist krachend durchgefallen. Selten waren sich Rot-Grün und Linkspartei so fremd. Selten schien ein rot-rot-grünes Bündnis so unrealistisch wie heute.

Die Schärfe der Kritik von SPD und Grünen an der Linkspartei zeugt zugleich von wachsendem Selbstbewusstsein. Nur neun Monate nach der Bundestagswahl kommt das bürgerliche Lager in Umfragen nur noch auf 36 Prozent und ist damit so schwach wie seit 2000 nicht mehr, während Rot-Grün schon bei 45 Prozent liegt. Offenbar spekulieren einige gar auf eine Rückkehr an die Macht ohne Linkspartei. Deren Stern dürfte seit gestern ohnehin im Sinken begriffen sein.