Rekordbesuch auf dem Fanfest. Anhänger feierten auf dem Heiligengeistfeld erst, als in der 60. Minute endlich das 1:0 für Deutschland fiel

Die Anspannung entlädt sich um 21.46 Uhr. Jetzt wird auch auf dem Heiligengeistfeld deutlich, wie groß die Angst vor einem Ausscheiden in der Vorrunde war. Wo vorher bange Blicke gen Leinwand fielen, liegen sich nun 69 000 Menschen jubelnd in den Armen. Ein ohrenbetäubender Aufschrei kanalisiert die empfundene Freude. Das Meer aus Deutschlandfahnen brodelt. Özil trifft zum 1:0 für die DFB-Elf gegen Ghana. Jetzt steht fest: Deutschland hat die nächste Runde erreicht!

Die Laune von Torben Sterner und Kollegen ist bestens. "Unser Chef hat uns freigegeben. Darum tragen wir auch alle diese lustigen Hüte in Deutschlandfarben." Der Mitarbeiter einer Event-Agentur verfolgt das fahnenschwenkende Gewusel vom Bierstand aus. "Hier haben wir optimalen Blick auf die Leinwand." Die allgemeine Grundstimmung in der Gruppe war: Das packen wir heute! Kollege Jens Hesse beugt sich über die Schulter seines Vorredners. Er tippte noch vor dem Spiel ein knappes 2:1.

Siegessicher sind zu diesem Zeitpunkt schätzungsweise 99 Prozent der Fanfestbesucher. Eine dreifarbige Euphoriewelle schwappt über das Heiligengeistfeld. Alles, was irgendwie schwarz-rot-gold eingefärbt werden konnte, kolorierten die Hamburger: Haare, Mützen, Ohren, ja, sogar Augenlider schimmern in den Nationalfarben.

Dennoch verstecken sich zwischen überwiegend deutschen Fans auch Anhänger des heutigen Gegners, darunter Kwadwo Sarpong aus Ghana. Der 38-Jährige musste sich mit der Trikolore seines Landes durch die Massen kämpfen. Jetzt lässt er im Afrika-Zelt den Plattenteller rotieren, den "Black Star" seiner Mannschaft trägt er auf dem Rücken. Und während der DJ Musik macht, fällt sein Blick immer wieder auf den Fernseher der Afrikafraktion. Ein Unentschieden wäre ihm vor dem Spiel am liebsten gewesen, aber mit diesem Ergebnis kann er auch gut leben: "Ghana und Deutschland sind schließlich beide weiter." Grundsätzlich sei er aber beim größten Fanfest des Nordens, "um Party zu machen. Und zwar mit allen. Deutschen, Afrikanern, ganz egal. Hauptsache Stimmung."

Und die ist klasse, sagt Sina Buchholz in der Halbzeitpause. "Aber die Spannung, die halte ich kaum noch aus." Vor Aufregung hat sich die 19-jährige Abiturientin die aufgemalten Fähnchen von der Wange gerubbelt, aber sie ist kurz vor dem Wiederanpfiff optimistisch: "Wir schaffen das."

Daran glauben auch die drei Freundinnen Nele Gosewisch, Atalia Siegmund und Annika Fricke. Sie wollen heute doppelt feiern: einen deutschen Sieg und Annikas Geburtstag. Dafür haben sich die Deerns schick gemacht. Blumenkette, Deutschlandtrikots und der schwarz-rot-goldene Dreiklang auf der Wange. "So geht's ab in die Mitte, direkt vor die Leinwand. Wir wollen jubeln, tanzen, durch die Gegend geschoben werden", sagt Atalia. Der Tipp der Mädchen: 2:1.

Für zwei Tore reicht es am Ende nicht. Aber das ist den Fans auf dem Heiligengeistfeld egal. Das Achtelfinale gegen England am Sonntag (16 Uhr) kann kommen. Glücklich taumeln die 69 000 in eine schwarz-rot-goldene Nacht. Und auch DJ Kwadwo Sarpong lässt sich diese Party nicht entgehen.