Eine Tradition lebt wieder auf: Das Hotel Louis C. Jacob führt die Kofferaufkleber wieder ein. Das Etikett für Leute von Welt.

Nienstedten. Einstmals dokumentierten sie internationale Note wie Wohlstand des Besitzers und legten ansehnlich Zeugnis seiner Weltläufigkeit ab. Wer viele von ihnen besaß, möglichst von renommierten Kreuzfahrtschiffen oder mondänen Luxushotels in Übersee, zeigte Stil. Je exotischer die Kofferaufkleber, desto interessanter.

Das Fünfsternehotel Louis C. Jacob an der Elbchaussee lässt jetzt eine Tradition aufleben, die aus der Reisewelt verschwunden war. Mit sechs unterschiedlichen Motiven können Gäste ein schönes Stück Erinnerung mit nach Hause nehmen - oder ihren Koffer damit verzieren. Die Statussymbole vergangener Tage finden so großen Anklang, dass die Auflage von jeweils 3000 Exemplaren bald vergriffen ist. Manche Besucher, so heißt es an der Rezeption, lassen sich nach anfänglicher Überraschung sogar weitere der bunten Bilder nach Hause schicken.

Die Idee hatte der Chef persönlich. "Als ich auf dem Flughafen das Gepäckband beobachtete, bemerkte ich wieder einmal die Gleichförmigkeit und Tristesse der Koffer", sagte Jost Deitmar, Direktor des vornehmen Hotels in Nienstedten. "Da kam mir die schöne Sitte der Grandhotels in den Sinn, die Aufkleber mit dem Signet ihrer Häuser als Erinnerung an den Aufenthalt zu vergeben." So werde der Koffer wieder zu einem Einzelstück mit Persönlichkeit.

Deitmar handelte und bat die Hamburger Illustratorin Lotsi Kerner, Kofferaufkleber zu kreieren, die sich am Stil der Belle Époque und der Goldenen 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts orientieren und diesen in die Neuzeit transportieren. Einhelliges Urteil: Dieses Kunststück ist gelungen.

Die mit Liebe zum Detail gestalteten Etiketten spiegeln die hanseatische Welt des Jacob wider. Sie zeigen den Hoteleingang mit Page, einen Blick von der Wasserseite auf das weiße Haus, eine Spritztour im Riva-Boot auf der Elbe, die Verabschiedung der "Queen Mary 2", einen Neujahrsempfang sowie die Szene einer Silvestergala "Cirque de Jacques". Über den Pionier der später begehrten Sammelobjekte mit mehr als 125 Jahren Geschichte streiten sich die Historiker. Das Savoy in San Remo war wohl das erste Grandhotel, das anno 1886 einen werbewirksamen Abschiedsgruß auf den Koffern und Taschen der betuchten Klientel hinterließ. Ein Etikett wurde zur Visitenkarte. Daraus entwickelte sich eine Mode. Wer etwas auf sich hielt, schleppte einen Koffer voller Konfetti durch die Lande. Somit stieg ein schlichtes Transportutensil zum Platzhalter von Distinktion und Statusstreben auf: Willkommen im Klub! Spielerisch dokumentierte der Träger einen Hauch von großer, weiter Welt und erlesenem Geschmack - den sich nicht jeder leisten konnte.

Hübsche Werbung war nur eine Seite der haftenden Bildchen. Die andere bestand in ganz praktischem Nutzen. Wurden Koffer vom Bahnhof ins Hotel oder an Bord eines Kreuzfahrtschiffs transportiert, konnten sie per Aufkleber und darauf notiertem Namen zweifelsfrei identifiziert und dem Besitzer aufs Zimmer oder in die Kajüte zugestellt werden.

Auf Flohmärkten werden die Souvenirs heute heiß gehandelt, und mancher hat noch einen Koffer mit den klassischen Erinnerungsstücken auf dem Boden stehen.

So wie die Berliner Witwe Gerda Nicola, die im Frühjahr 1988 auf ihrem Schlafzimmerschrank einen vergilbten Karton mit 300 Hoteletiketten entdeckte. Es waren Andenken an die Reisen ihres verstorbenen Mannes, der als Vertreter durch das Deutschland der 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts reiste. Ein Schatz für Sammler!

Die schönsten Exemplare, darunter ein Etikett des Grandhotels Emma in Meran von 1925, Motive des Raffles-Hotels in Singapur oder Raritäten des Hotels Vier Jahreszeiten in Hamburg, zeigte das Altonaer Museum vor 24 Jahren in einer Wanderausstellung. Titel: "Kofferaufkleber - Etikett der großen weiten Welt".