Mehr Verantwortung für Hamburgs Bezirke - das muss die Stadt erst lernen

"In der Freien und Hansestadt Hamburg werden staatliche und gemeindliche Tätigkeiten nicht getrennt. ... Durch Gesetz sind für Teilgebiete (Bezirke) Bezirksämter zu bilden, denen die selbstständige Erledigung übertragener Aufgaben obliegt."

So steht es in der Hamburgischen Verfassung. Eine recht oberflächliche Erwähnung, die mit dazu beiträgt, dass es mittlerweile zur politischen Folklore gehört, als Senat die Frage nach der Rolle der Bezirke zu stellen.

So legte 2006 die allein regierende CDU eine "Verwaltungsreform" vor, in deren Zuge unter anderem der Stadtteil Wilhelmsburg vom Bezirk Harburg auf den Bezirk Mitte überging. Zu schwarz-grünen Zeiten warf 2010 Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) in einer Spardebatte die provokante Frage auf, ob die Stadt überhaupt noch Bezirke brauche - was zu gar nichts führte außer Protestgeheul. Und seit Frühjahr 2011 hat der SPD-Senat an der "Entflechtung" der Aufgaben von Bezirken und Fachbehörden gearbeitet. Das Ergebnis liegt nun vor und sieht, verkürzt ausgedrückt, eine klarere Kompetenzverteilung zugunsten der Bezirke vor. Sie werden gestärkt - das ist begrüßenswert.

Denn dass diese Frage seit Jahren so hartnäckig diskutiert wird, hat ja weniger mit der Qualität der Hamburger Verwaltung zu tun - in Umfragen bekommt sie von den Bürgern ordentliche Noten. Sondern es geht vielmehr um den Kostendruck infolge der Schuldenbremse. Wer von 2020 an ohne neue Schulden auskommen will und muss, kommt nicht umhin, sich die Ausgaben für Personal anzugucken: 3,5 Milliarden Euro, gut ein Drittel des Etats der Stadt.

Wer daran etwas ändern will, hat grundsätzlich die Wahl zwischen zwei Wegen: Entweder werden die Bezirksämter abgeschafft und künftig alles von den zentralen Fachbehörden gesteuert und entschieden bis hin zu Genehmigungen für Carports und Freiluft-Sitzplätzen in der Schanze. Das ist aber weder durchsetzbar noch praktikabel. Oder man nimmt die Verfassung beim Wort und versetzt die Bezirke in die Lage, wirklich "selbstständig" Aufgaben zu erledigen. Diesen 2006 von der CDU eingeschlagenen Weg ist die SPD nun weitergegangen. Der entscheidende Schritt, um den folglich am härtesten gerungen wurde, war es, den Fachbehörden auch die Verantwortung und Mittel zu entziehen, die man den Bezirken übertragen will.

Nun beginnt für alle Beteiligten ein Lernprozess. Die Bürger können künftig erwarten, dass ein Anliegen in "ihrem" Bezirksamt auch abschließend geklärt wird und nicht monatelang in einem Abstimmungsprozess zwischen den Behörden hängt. Die Bezirke müssen lernen, diese Verantwortung auch wahrzunehmen. Und im Rathaus muss man lernen, mit dezentral getroffenen Entscheidungen zu leben. Welche Vor- und Nachteile das haben kann, wurde jüngst am Beispiel des Bezirks Mitte vorgeführt: Als dieser erst einen Zaun gegen Obdachlose errichtete und dann in seinem Bereich die elf Jahre alte Chantal unter den Augen des Jugendamts starb, schäumte mancher im Senat vor Wut. Gehen musste aber kein Senator, sondern der Bezirksamtsleiter - das entspricht der neuen Aufteilung von Verantwortung.

Mit allzu großen Erwartungen sollte dieses Reförmchen aber nicht beladen werden. Die Änderungen setzen nicht vor 2013 ein, und es wird seine Zeit brauchen, bis sie spürbar greifen. Am Ende werden dann einige Verwaltungsgänge, etwa bei Baugenehmigungen, etwas reibungsloser laufen, und vielleicht kommt die hamburgische Verwaltung mit 50 oder 100 Leuten weniger aus. Es ist ein kleiner Schritt - aber in die richtige Richtung.