Abstimmung im Parlament über 420-Millionen-Euro-Investition stand kurz vor der Verschiebung. FDP und GAL wollten Entscheidung verhindern.

Hamburg. Da wollten einige Abgeordnete zu schnell in den Feierabend: Weil mindestens zwei Volksvertreter nach der ersten, erfolgreichen Abstimmung über den 420 Millionen Euro teuren Ankauf weiterer Anteile der Stadt an Hapag-Lloyd den Plenarsaal verlassen hatten, hing das Geschäft plötzlich am seidenen Faden. Der Grund: Um dem SPD-Senat eins auszuwischen, sprachen sich FDP und GAL gegen die in diesem Fall erforderliche sofortige zweite Abstimmung aus. Um das durchzusetzen, hätten sie ein Fünftel der Stimmen benötigt. Zwar stellen beide Fraktionen zusammen nur 23 von 121 Abgeordneten. Da aber einige fehlten, war unklar, ob die Mehrheit noch stand.

Schließlich wurden die Abtrünnigen zurückbeordert und die Abstimmung wiederholt. Da Carl Jarchow (FDP) nicht mehr mit seiner Fraktion stimmte, waren nur 22 von 120 anwesenden Abgeordneten für eine Verschiebung auf den 18. April - zu wenig. Um 20.14 Uhr stimmte die Bürgerschaft endgültig für das Geschäft. Hätte sie das nicht bis 30. März getan, hätte die TUI von dem Vertrag zurücktreten können.

Zuvor waren die Gegensätze deutlich geworden. "Mit diesem Anteilskauf erhält der Senat nicht mehr, als er schon hat", sagte GAL-Fraktionschef Jens Kerstan. Hapag-Lloyd sei mit dem ersten Anteilserwerb 2008 bereits vor einem Ausverkauf an einen internationalen Investor gerettet worden. "Wir müssen das Unternehmen nicht ein zweites Mal retten", sagte Kerstan. Eine Übernahme drohe nicht mehr, der Firmensitz Hamburg sei festgeschrieben.

+++ Bürgerschaft gibt 420 Millionen Euro für Hapag-Lloyd frei +++

"Es gibt das Risiko, dass ein strategischer Investor Hapag-Lloyd übernimmt - mit schwerwiegenden Folgen für Hapag-Lloyd und den Hafen", entgegnete Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD). Der Senat lege jetzt "eine endgültige und gute Lösung für Hapag-Lloyd" vor. Das Geschäft sei nicht ohne Risiko. "Aber unverantwortlich wäre es, sich zurückzulehnen und nichts zu tun", sagte Tschentscher.

Die CDU war in einer unklaren Position. Eigentlich wollte sie, dass der Kauf der Anteile von der Bürgerschaft ohne Abstimmung nur zur Kenntnis genommen wird. Tatsächlich ist die CDU gegen den Anteilskauf. "Es besteht keine akute Gefahr einer Verlagerung des Unternehmenssitzes aus Hamburg heraus", sagte CDU-Wirtschaftspolitikerin Karin Prien. "Jedenfalls hat der Senat uns nichts vorgelegt, was belastbar wäre." Die FDP ist prinzipiell gegen den Deal. "Schon die Frage, ob es ein gutes Geschäft für die Stadt ist, ist falsch", sagte der FDP-Abgeordnete Thomas-Sönke Kluth. "Es geht nur darum, welchen öffentlichen Nutzen das Geschäft hat." Die Linkspartei stimmte hingegen zu. Zwar kritisierte ihr Finanzexperte Norbert Hackbusch ebenfalls die unzureichende Informationspolitik des Senats. Aber es sei grundsätzlich richtig, "durch staatliche Intervention" zur Ruhe bei der Reederei beizutragen.

+++ Kalkuliertes Risiko +++

Hapag-Lloyd ist die fünfgrößte Containerreederei der Welt und war früher eine Tochter des Touristikkonzerns TUI. Als dieser Hapag-Lloyd verkaufen wollte, gründete sich 2008 in Hamburg das Konsortium Albert Ballin und übernahm zwei Drittel der Anteile an der Reederei. Zu dem Konsortium gehören der Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne, die Stadt Hamburg, die HSH Nordbank, die Warburg-Bank sowie die Versicherungen Signal Iduna und HanseMerkur. Das Geschäft hatte aber einen Haken: TUI ließ sich das Recht einräumen, seine Anteile 2012 an Albert Ballin zu verkaufen oder - wenn das Konsortium das ablehnt - ab Oktober 2012 die Mehrheit der Reederei an einen Dritten zu veräußern, obwohl TUI diese Mehrheit nicht besitzt.

Zwei zentrale Ziels des SPD-Senats waren daher, diese komplizierte Eigentümerstruktur zu ordnen und die Gefahr zu bannen, dass ein Konkurrent Hapag schluckt. Daher wurde ein Kompromiss verhandelt: Albert Ballin investiert 600 Millionen Euro und steigert seinen Anteil an der Reederei auf 80 Prozent. Innerhalb des Konsortiums trägt den größten Batzen mit 420 Millionen Euro die Stadt, die mit 36,9 Prozent größter Einzelaktionär wird.

Positiv reagierte die Handelskammer: "Es ist zwar nicht Aufgabe des Staates, sich an privatwirtschaftlichen Unternehmen zu beteiligen, aber in dieser besonderen Situation ist dies vorübergehend zu rechtfertigen", sagte Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz. Es gehe darum, mit Hapag-Lloyd einen "für den Hafen- und Schifffahrtsstandort Hamburg entscheidenden Player zu sichern". Für Michael Westhagemann, Vorsitzender des Industrieverbandes, geht Hamburg "mit der zeitlich befristeten Beteiligung den richtigen Weg".

Dass die Bürgerschaft das Hapag-Lloyd-Geschäft gestern überhaupt absegnen konnte, lag am Hamburgischen Verfassungsgericht. Die neun Richter wiesen am Vormittag einen Eilantrag des GAL-Fraktionschefs Kerstan als "offensichtlich unzulässig" zurück. Kerstan wollte die Entscheidung über den Anteilskauf um einen Monat verschieben, weil er sich nicht ausreichend über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens vom Senat informiert fühlte. Vor einer Abstimmung müsse ein Wertgutachten erstellt werden.

Im Kern sagten die Richter, dass Kerstan kein verfassungsmäßiges Recht auf eine Verschiebung hat. "Bestimmungen, wonach Beschlussfassungen der Bürgerschaft unter den Vorbehalt gestellt werden, dass zuvor Informationsansprüche einzelner Abgeordneter oder Gruppen von Abgeordneten erfüllt seien, finden sich nicht", heißt es in der Entscheidung.