Eine Hamburger Initiative klärt Schüler über die Gefahren und Folgen des Tabakkonsums auf. Eine Raucherin erzählt von ihren Lungentumoren.

Hamburg. Bilder von einem Menschen nach einem Schlaganfall und mit einem Raucherbein, ein Video von einer Lungenspiegelung, bei der eine Probe aus einem Tumor entnommen wird - kein alltägliches Anschauungsmaterial für Hamburger Schüler. "Ich finde die Bilder schrecklich", sagt Charlin, 14. "Aber sie öffnen einem auch die Augen, was alles passieren kann." Der gleichaltrige Marcel ist sich sicher: "Ich werde nicht mit dem Rauchen anfangen." Die beiden sind zwei der rund 230 Schüler, die ins Universitätsklinikum Eppendorf gekommen sind, um sich über die Gefahren des Rauchens zu informieren. Im Hörsaal des Anatomischen Instituts lauschen sie Dr. Birte Andritzky, Internistin aus dem UKE.

Die Veranstaltung, die jeden Donnerstag von 10 bis 12 Uhr im UKE stattfindet, ist das Kernstück der Initiative "Nichtrauchen ist cool" und richtet sich an Schüler der 5. bis 7. Klasse. Das Projekt wurde 2004 von Krebs- und Suchtexperten des UKE gestartet und besteht aus den Teilbereichen Prävention, Forschung und Entwöhnung. "In der Prävention hatten wir bisher 60 000 Schülerinnen und Schüler aus Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und auch mal aus dem nördlichen Nordrhein-Westfalen", erzählt Prof. Eckart Laack vom Ambulanten Krebszentrum Hamburg, der zusammen mit Suchtexperte Prof. Rainer Thomasius die Initiative gegründet hat.

In der ersten Stunde erläutert Birte Andritzky, was passiert, wenn man mit dem Zigarettenrauchen anfängt. Dabei werden auch die Bilder von Patienten gezeigt, bei denen einige Schüler schockiert wegsehen. Am Ende erzählt Brigitte Drabinski, die seit 1995 dreimal an einem Lungenkrebs erkrankte, ihren Leidensweg. Jedes Mal wurde bei ihr der Tumor so früh entdeckt, dass er noch operativ entfernt werden konnte. Dabei musste jedoch so viel Lungengewebe entfernt werden, dass sie unter starken Einschränkungen leidet. "Laufen kann ich nicht mehr, nur noch gehen - und das auch nur auf einer ebenen Strecke", erzählt sie. Sie hatte mit 17 Jahren mit dem Rauchen angefangen und mit 51 aufgehört. Zwei Jahre später wurde der erste Tumor entdeckt. Heute beginnen Jugendliche in der Regel wesentlich früher mit dem Rauchen.

Weniger Herzinfarkte durch Rauchverbote

Nach einer Untersuchung der Hamburger Landesstelle gegen die Suchtgefahren hatten Jugendliche, die 2005 14 bis 18 Jahre alt und Raucher waren, mit 12,6 Jahren mit dem Rauchen begonnen; eine 2009 befragte Gruppe 14- bis 18-jähriger Raucher hatte mit 13,2 Jahren angefangen.

Was sie ihrem Körper damit antun, wissen die wenigsten. "Der Tabakrauch enthält mindestens 70 krebserregende Stoffe, hinzu kommen mehrere Hundert giftige Substanzen. Das merkt sich der Körper und das Nikotin trifft auf ein empfindliches Suchtgedächtnis", sagt der Krebsspezialist. "Deswegen sagen wir den Kindern: Seid stark, sagt Nein, weil schon die erste, zweite oder dritte Zigarette zur Sucht führen kann. Das Suchtpotenzial in den heutigen Zigaretten ist vergleichbar mit dem von Heroin und Kokain. Diese drei gehören zu den stärksten suchterregenden Stoffen."

Rauchen kann zu mindestens 60 verschiedenen Krankheiten oder Beschwerdekomplexen führen. Klassisch sind Erkrankungen der Atemwege, wie chronische Bronchitis oder ein Lungenemphysem, Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie die Arteriosklerose mit den Folgeerkrankungen Schlaganfall, Herzinfarkt und Durchblutungsstörungen in den Beinen. Zudem erhöht Rauchen die Gefahr für Krebserkrankungen. "Es verursacht am häufigsten Lungenkrebs, aber auch Tumoren in Mundhöhle und Kehlkopf, in der Speiseröhre und der Harnblase. Außerdem spielt das Rauchen eine Rolle bei Gebärmutterhalskrebs und Nierentumoren und möglicherweise auch bei Brustkrebs", sagt Laack. Je länger und intensiver jemand raucht, umso höher ist das Krebsrisiko.

Pro Tag sterben etwa 400 Menschen in Deutschland an den Folgen des Zigarettenrauchens. Laut dem Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg (DKFZ) verkürzt Rauchen das Leben um durchschnittlich zehn Jahre. Nur 58 Prozent der Raucher erreichen das 70. Lebensjahr. Von den Nichtrauchern werden 59 Prozent 80 Jahre alt.

Das DKFZ hat auch errechnet, dass pro Jahr mehr als 3000 Menschen an den Folgen des Passivrauchens sterben. Denn auch im Passivrauch sind die krebserregenden Stoffe nachweisbar. "Teilweise ist der Passivrauch sogar noch gefährlicher. Wenn der Raucher an der Zigarette zieht, entsteht eine hohe Verbrennungstemperatur. Glimmt sie nur, ist die Verbrennungstemperatur niedriger. Das hat zur Folge, dass der Tabak teilweise nicht komplett verbrannt wird. Dadurch sind einige krebserregende Stoffe im Passivrauch in zehnfach höherer Konzentration vorhanden", erläutert Laack. Die niedrige Verbrennungstemperatur ist auch der Grund, warum er ausdrücklich vor dem Rauchen von Wasserpfeifen, den sogenannten Shishas, warnt, das bei Jugendlichen so beliebt ist: "Das Rauchen einer Wasserpfeife entspricht dem Rauchen von 100 filterlosen Zigaretten, weil durch die Wasserkühlung die Verbrennungstemperatur so niedrig ist."

Es sei nie zu spät, mit dem Rauchen aufzuhören, sagt Laack. Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sinkt schon wenige Tage, nach dem das Rauchen beendet wurde. Das Krebsrisiko sinkt mit jedem Jahr, in dem auf das Rauchen verzichtet wird. Es hat nach etwa zehn Jahren Nichtraucherdasein einen Tiefstand erreicht. "Es nähert sich dem Risiko des absoluten Nichtrauchers aber nur an. Um wie viel, hängt davon ab, wie viel jemand vorher geraucht hat und wie lange."

Mehr Informationen zu der Initiative und zur Anmeldung für Schüler www.abendblatt.de/wissen-nichtrauchen

Patientenforum Lungenkrebs: 18. 4., 17.30-19.30 Uhr bei der Hamburger Krebsgesellschaft, Butenfeld 18 (Eppendorf)