Ein kabelloses Bordunterhaltungssystem und der neue Businessclass-Sitz der Lufthansa sollen Komfort für die Passagiere erhöhen.

Hamburg. Bordunterhaltungssysteme mit individuell wählbarem Programm sind bisher in der Regel den Passagieren von größeren Jets auf Langstrecken vorbehalten. Denn die Fluggesellschaften scheuten das zusätzliche Gewicht der Sitzmonitore und vor allem die aufwendige Verkabelung in den Kabinen kleinerer Jets.

Doch eine Neuentwicklung von Lufthansa Systems räumt diese Hindernisse aus dem Weg: Die Fluggäste können über ein drahtloses Netzwerk (WiFi) mit ihren eigenen mobilen Geräten wie etwa Laptops, Tablet-Computer oder Smartphones auf Filme und Fluginformationen zugreifen. Ist das Flugzeug mit einer Satellitenantenne ausgestattet, können die Passagiere wie am Boden im Internet surfen und Fernsehprogramme über das Netz anschauen.

Für das neue Produkt BoardConnect hat Lufthansa Systems nun den im Rahmen der Hamburger Kabinenmesse Aircraft Interiors Expo vergebenen Innovationspreis Crystal Cabin Award in der Kategorie Passagierkomfort erhalten.

"Drei Viertel der mehr als 16 000 Passagierflugzeuge weltweit sind Kurz- und Mittelstreckenjets", sagt Stefan Hansen, Chef der IT-Tochter des Lufthansa-Konzerns, dem Abendblatt. "Das ist der Markt, auf den wir abzielen." Seit Januar wird das neue System in einer Boeing 767 der australischen Qantas getestet, außerdem haben sich der Ferienflieger Condor und Virgin America für die Neuentwicklung entschieden.

Besser schlafen im Flugzeug

Lufthansa streicht Servicegebühr, hebt aber Grundpreise an

Im Vergleich zu einer konventionellen Bordunterhaltungsanlage spart BoardConnect nach Firmenangaben nicht nur bis zu 50 Prozent der Installationskosten, sondern bei einem mittelgroßen Jet auch knapp 500 Kilogramm Gewicht - und damit pro Jahr rund 20 Tonnen Treibstoff. "Wir merken, dass der Bedarf unglaublich groß ist", so Hansen. Man verhandele bereits mit etlichen potenziellen Kunden. Gespräche gibt es aber nicht nur mit Fluggesellschaften, sondern auch mit der Bahn und mit Hotels.

Noch ist unklar, wie viel die Passagiere für den Service zahlen müssen. "Premium-Airlines werden ihn voraussichtlich kostenlos anbieten", erwartet Hansen. Die Innovation soll helfen, den Umsatz mit Kunden außerhalb der Lufthansa - gegenwärtig sind das 40 Prozent der Gesamterlöse von knapp 600 Millionen Euro - zu steigern. Von den weltweit 4300 Beschäftigten von Lufthansa Systems arbeiten 680 in Norderstedt beziehungsweise bei Firmenkunden in Hamburg.

Während BoardConnect innerhalb von zwei Jahren entwickelt wurde, begannen die Arbeiten an dem künftigen Businessclass-Sitz für die Lufthansa-Langstreckenmaschinen sogar schon vor gut vier Jahren. "In umfangreichen Passagierbefragungen hat sich herausgestellt, dass die Fluggäste vor allem eine wirklich waagerechte Liegefläche zum Schlafen wünschen", sagt Christian Körfgen, Leiter Produktmanagement & Innovationen bei Lufthansa, dem Abendblatt.

Zudem wächst die Bilddiagonale des vor jedem Platz installierten Bildschirms um fünf auf 15 Zoll (knapp 38 Zentimeter). Der Komfort hat seinen Preis: Jeder der neuen Sitze, den die Fluggesellschaft gemeinsam mit dem amerikanischen Hersteller B/E Aerospace entwickelt hat, kostet etwa so viel wie ein Audi-A6-Mittelklassewagen, also mehr als 40 000 Euro. "Ein Flugzeugsitz wird aber in einem halben Jahr so stark beansprucht wie ein Autositz über die gesamte Lebensdauer", erklärt Körfgen. Gut 6000 dieser Sitze werden in mehr als 100 Lufthansa-Jets installiert. Das Umrüstprogramm läuft bis Anfang 2016 - und es bringt Lufthansa Technik dreimal so viel Arbeit wie der gerade abgeschlossene Einbau der 32 000 erheblich simpleren Sitze in die Kurz- und Mittelstreckenflotte.