Deutschlands wichtigstes Zentrum für Sportbootbesitzer liegt in Wedel. Die regionale Wirtschaft profitiert davon kräftig.

Wedel. Ein Unimog rollt mit einer Segelyacht im Schlepptau zur Krananlage. Das Tempo auf dem Gelände des Hamburger Yachthafens in Wedel erscheint gemächlich, aber das täuscht. Einer der drei Hafenmeister und seine Mitarbeiter hängen am Kran die Transportgurte unter den Rumpf der frisch polierten Yacht "Wiebke", dann geht es abwärts ins Hafenbecken. Ein Traktor bringt schon das nächste Segelboot auf einem Spezialanhänger heran.

In Wedel, Deutschlands größtem Sportboothafen, herrscht zu Beginn der Wassersportsaison Hochbetrieb. "Von Mitte März bis Anfang Mai werden an sechs Tagen in der Woche insgesamt 1100 Boote gekrant", sagt André Waage, Geschäftsführer des Hamburger Yachthafens. Vom Büro der Hafenverwaltung aus blickt er über kilometerlange Steganlagen. Die ersten Boote, die schon im Wasser liegen, wirken dort noch etwas verloren. Aber das Panorama ändert sich täglich. "Alle 20 Minuten wird ein Boot gekrant. Hinzu kommen Boote über die Slipanlage ins Wasser und Boote von außerhalb des Hafens." Bis zu 1950 der insgesamt 2000 Liegeplätze würden von Mitgliedern des Yachthafens belegt. "Und Gastlieger sind hier jederzeit willkommen", sagt Waage.

Wedel mit seinen rund zehn Hektar allein an Landfläche ist eine gewaltige Anlage, gemessen an der Größe anderer nordeuropäischer Sportboothäfen, und damit auch ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor. "Wir haben unser Stadtmarketing in den vergangenen Jahren stark zur Elbe hin ausgerichtet", sagt Wedels Bürgermeister Niels Schmidt (parteilos). "Da passt es natürlich perfekt, dass hier der größte deutsche Sportboothafen liegt." Die Zusammenarbeit mit dem zweiten Wedeler Sportboothafen nahe der Schiffsbegrüßungsanlage Willkomm-Höft möchte der Bürgermeister vertiefen: "Der Hamburger Yachthafen ist keine isolierte Anlage der Hansestadt. Es gibt eine sehr klare Verbindung zu Wedel."

800 Jahre Wedel: Ein Stadtjubiläum zum Genießen

Etliche Bootsausstatter und Werftbetriebe leben von der Marina in Schleswig-Holstein vor den Toren Hamburgs, aber auch der lokale Einzelhandel. "Für Wedel ist der Yachthafen ein nicht zu unterschätzender Faktor, auch wegen Tausender Gastlieger, die während der Saison hierherkommen", sagt der Unternehmer Arndt Kampmann, der zwei Edeka-Filialen in Wedel und in Tornesch betreibt. Vor drei Jahren organisierte er einen Lieferservice in den Sportboothafen. Wer abends bis 20.30 Uhr seine Bestellung in einen Briefkasten an einem der Bootshäuser wirft, bekommt morgens ab 8 Uhr Lebensmittel und Getränke direkt ans Boot gebracht, auch an Sonn- und Feiertagen. "Wir registrieren jedes Jahr ein starkes Wachstum", sagt Kampmann. "Die Bootsbesitzer wissen, dass sie sich auf den Service verlassen können." Für durchschnittlich 25 Euro bestellen die Kunden auf ihren Booten je Lieferung, nicht nur Lebensmittel: "Wir hatten auch schon Bestellungen für Laptop-Adapter und viele andere Spezialitäten", sagt Kampmann.

In den Winterlagerhallen, auf den Stellplätzen im Freien und bei den Bootsbauunternehmen an der Marina wird geschleift und gestrichen, gehämmert und gefräst. Jahrzehntealte Schmuckstücke und fast neue Boote stehen nebeneinander. Etliche Besitzer nutzen die Wochen vor dem Saisonstart, um ihre Fahrzeuge eigenhändig in Schuss zu bringen. Doch Wedel bietet auch ein großes Geschäft für das gesamte Spektrum des Bootsbauhandwerks. "Wir haben uns vor achteinhalb Jahren bei der Unternehmensgründung bewusst hier angesiedelt", sagt der Segelmacher Olaf Petrofsky. "Auch nach dem Umzug unseres Geschäfts nach Uetersen ist der Wedeler Hafen fast ausschließlich unser Arbeitsfeld." Längst wurde Petrofskys Marke Olaf P. Wedel von der Elbe aus in den Segelrevieren der Nord- und Ostsee bekannt. In Wedel selbst registriert er ein konstantes Geschäft. "Es scheiden zurzeit sicher mehr ältere Bootsbesitzer aus, als jüngere nachkommen. Aber diejenigen, die heute mit dem Yachtsport beginnen, haben meist ein viel höheres Einkommen zur Verfügung, und sie lassen sehr viel mehr Handwerks- und Dienstleistungen am Boot von Fachunternehmen erledigen als die ältere Generation."

Das starke Wachstum des Hamburger Hafens ist der Grund dafür, dass viele Sportbootfahrer aus der Hansestadt heutzutage in Wedel festmachen. Vor dem Ersten Weltkrieg hatte der Hamburger Senat für die Motorbootfahrer und Elbsegler der Stadt einen Freizeithafen an der Spitze der Waltershofer Halbinsel angelegt, unmittelbar neben der Lotsenstation Seemannshöft. Zu Beginn der 1960er-Jahre wurde die Anlage aufgegeben, weil sie für den wachsenden Andrang der Sportschiffer zu klein wurde und weil der Ölhafen auf Waltershof ausgebaut werden musste. In Schulau am Ortsrand von Wedel ließ der Senat einen neuen Yachthafen bauen, 1961 nahm er den Betrieb auf. Pächter war der neu gegründete Verein Hamburger Yachthafen Gemeinschaft (HYG). Mitte der 1990er-Jahre kaufte die HYG den Hafen von der Stadt Hamburg. 52 Sportbootvereine aus der Region, darunter zwei aus Wedel, sind derzeit Mitglied der Gemeinschaft.

Der Hamburger Hafen und die Berufsschifffahrt prägen das Geschehen in Wedel bis heute, obwohl der Sportboothafen gut 25 Kilometer vom Zentrum der Hansestadt entfernt liegt. Der Wedeler Yachthafen ist der einzige in der Elbregion, den Boote mit bis zu drei Meter Tiefgang unabhängig von der Tide anlaufen können. Doch die Gezeiten bringen Schlick und Sedimente auch dort hinein, ebenso wie in viele andere Sportboothäfen am breitesten deutschen Strom. So bekommen die Bootseigner in Wedel jährlich ihre eigene Elbvertiefung. "Die Tiefe des Hafens wird vor der Saison gepeilt, dann wird er durch ein Ausspülverfahren von den Sedimenten befreit", sagt Waage.

Mit der geplanten Vertiefung und Verbreiterung des Elbfahrwassers wird die Strömungsgeschwindigkeit steigen und damit die Sedimentfracht aus dem Fluss. Die Attraktivität des Wedeler Yachthafens mindert das nicht. Einen festen Liegeplatz bekommt man nicht unbedingt auf Anhieb. Und wer von einem Stellplatz im Freien auf einen der 750 Winterliegeplätze in einer Halle umziehen will, muss mitunter einige Jahre lang warten. "Der Andrang hier", sagt Waage, "ist unverändert hoch."