BUND und Nabu planen, jetzt juristisch gegen die geplante Elbvertiefung vorzugehen. Sie berufen sich dabei auf das EU-Naturschutzrecht.

Haseldorf/Hamburg. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) und der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) erwägen eine Klage gegen die geplante Elbvertiefung, sobald der Planfeststellungsbeschluss vorliegt. Das ist voraussichtlich noch im Frühjahr der Fall. Dann werden die Juristen der beiden Verbände das Dokument prüfen, um die mehrere hundert Millionen teure Ausbaggerung der Fahrrinne vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig noch zu stoppen. Das kündigt Hans Ewers, Nabu-Schutzgebietsreferent für die Haseldorfer Marsch, gegenüber der Abendblatt-Regionalausgabe Pinneberg an.

Das Land Schleswig-Holstein hat der Elbvertiefung bereits zugestimmt . Nach Ansicht von Umweltministerin Juliane Rumpf, CDU, sind die Belage des Naturschutzes angemessen berücksichtigt und die Deiche sicher.

Die Naturschützer halten eine Klage für wahrscheinlich. "Diese Elbvertiefung ist ökologisch nicht mehr verträglich und verstößt gegen europäisches Naturschutzrecht", sagt Manfred Braasch, Geschäftsführer des BUND-Landesverbands Hamburg.

Der Fluss soll dabei um maximal 2,40 Meter auf eine Tiefe von bis zu 18 Metern unter der Wasseroberfläche, dem sogenannten Seekarten-Null, ausgebaggert werden. Nach Angaben von Braasch werden dabei annähernd 40 Millionen Kubikmeter Erde bewegt werden. Dreimal so viel wie bei der jüngsten Elbvertiefung vor zwölf Jahren. Entsprechend drastischer würden die negativen Folgen dieser Maßnahme für das Ökosystem Elbe ausfallen, befürchten die Naturschützer.

"Es gibt ja eine Alternative", sagt Braasch. Der Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port bei Wilhelmshaven, der im Juni in Betrieb gehen soll, könne die ganz großen Pötte bedienen. "Mehr als 90 Prozent der Weltcontainerflotte kann weiterhin den Hamburger Hafen anlaufen, auch ohne weiteres Ausbaggern", rechnet der BUND-Vertreter vor.

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"Schon die Vertiefung von 1999 war aus unserer Sicht eine Katastrophe", sagt Ewers. "Die dynamischen Flachwasserbereiche würden bei einer weiteren Vertiefung zerstört. Sie bieten Lebensräume für viele seltene Pflanzen- und Tierarten." Besonders gefährdet sei der weltweit einzigartige Schierlingswasserfenchel, eine Art "botanischer Pandabär" der Flussflora. Dieses zwei Meter hohe Doldengewächs sei vom Aussterben bedroht und existiere vor allem vor dem Fährmannssand bei Wedel. Es stehe für den gesamten, seltenen Lebensraum, das tidegeprägte Süßwasserbiotop in den Flachwasserbereichen der Elbe.

Gerade dieses empfindliche Ökosystem leide unter der Vertiefung. "Das Marschgebiet verlandet zunehmend, bedingt durch die Vertiefung und Kanalisierung der Elbe", sagt Nabu-Schutzgebietsreferent Ewers. "Besonders die Bereiche, die der Tide ausgesetzt sind, sind von diesem Prozess betroffen."

Konkret funktioniert Verlandung so: Je tiefer die Fahrrinne, desto schneller fließt das Wasser. Und je schneller das Wasser fließe, desto mehr Sedimente transportiere es, erklärt Ewers. In den flachen Uferbereichen, in denen das Wasser langsamer fließe, lagerten sie sich ab. "Die lebensreichen, feinen Sedimente, wie sie auch im Wattenmeer zu finden sind, gehen verloren und werden durch lebensarmen Sand ersetzt." Die Sedimente bildeten aber durch den Reichtum an Nährstoffen und kleinen Lebewesen die Lebensgrundlage für viele Vögel und Fische. Werden sie zu Sandbänken, müssen Pflanzen und Tiere weichen. Nicht zuletzt die großen Vogelschwärme, die im Frühjahr und Herbst in der Marsch rasten und zahlreiche Touristen anlocken.

+++ Naturschützer berichten über Folgen der Elbvertiefung +++

Mit der Vertiefung werde sich auch die Brackwasserzone, also die Mischung von Süß- und Salzwasser, Richtung Hamburg verschieben und das Grundwasser bis Hetlingen versalzen, fürchten die Umweltschützer.

Vorbild für die Naturschützer ist Bremen. Dort haben Gegner der Weservertiefung in einem Eilverfahren einen vorläufigen Baustopp bewirkt. Die Klage gegen die Wasser- und Schifffahrtsbehörden vor dem Bundesverwaltungsgericht läuft.

Die Politik kommentiert die Klagepläne der Umweltschützer unterschiedlich. Während Valerie Wilms, Bundestagsabgeordnete der Grünen aus dem Kreis Pinneberg, dem Abendblatt gegenüber vollstes Verständnis dafür signalisiert, verweist CDU-Kollege Ole Schröder auf die Gefahr für die Arbeitsplätze im Hamburger Hafen, in dem auch viele Bürger aus dem Umland ihr Brot verdienen. "Die Auswirkungen, unter anderem durch Verschlickung und Versalzung der Böden, sind für die Elbanrainer nicht zumutbar", sagt Wilms. Bislang seien nicht einmal die Probleme der jüngsten Elbvertiefung gelöst. Schröder dagegen drückt aufs Tempo. Jede weitere Verzögerung sei problematisch, weil der Hamburger Hafen jetzt schon ins Abseits gerate. Eine Kooperation mit Wilhelmshaven löse das Problem nicht, weil die Verkehrsströme nach Osteuropa über Hamburg und seine erstklassigen Verbindungen ins Hinterland liefen. Die ökologischen Bedenken teile er nicht.

SPD-Vertreter Ernst-Dieter Rossmann bleibt distanziert. "Ich wünsche mir eine solche Klage nicht", sagte der Bundestagsabgeordnete. Aber er respektiere den Anspruch der Naturschützer darauf - auch wenn er in den Punkten Deichsicherheit und Biotopschutz davon ausgehe, dass die Landesbehörden ihre Arbeit getan hätten.