Abendblatt-Serie

Die große Stadtteilserie: Jenfeld im Bezirk Wandsbek

| Lesedauer: 7 Minuten
Volker ter Haseborg

Hier Dorf, dort Trabantenstadt - und eine weiße Villa, die Alt und Neu zusammenführen soll. Knapp 25.000 Menschen leben in dem Stadtteil.

Jenfeld. Jenfeld ist ein Stadtteil, der sich immer wieder neu erfindet. Früher war "Gelevelde" ein Bauerndorf, das zum Kloster Reinbek gehörte. Dass die Dänen kamen und gingen und dass Jenfeld erst preußisch und später ein Stadtteil von Hamburg wurde, hat das Dorf kaum verändert. Es gab einige Bauernhöfe, später entstanden bürgerliche Wohnhäuser. Im Zweiten Weltkrieg verloren viele Hamburger bei den Luftangriffen ihr Zuhause - in Jenfeld fanden sie eine Unterkunft in eilig errichteten Behelfsheimen. Aus den Unterkünften sollten richtige Wohnungen werden: In den 60er-Jahren wurde deshalb fleißig gebaut. Und so kamen die Hochhäuser nach Jenfeld. Diese Plattenbauten fallen anderen Hamburgern auf, wenn sie auf der Autobahn an der Abfahrt Jenfeld vorbeifahren.

+++ Name & Geschichte +++

+++Töchter & Söhne +++

+++ Kurz & knapp +++

+++ Zahlen & Fakten +++

+++ Der Stadtteil-Pate: Volker ter Haseborg +++

Ärger über die Vorurteile

"Viele Jenfelder finden es schade, dass sie immer nur auf die Hochhaussiedlungen und die sozialen Probleme angesprochen werden", sagt der Jenfelder Straßensozialarbeiter Stefan Holst. Im Jahr 2005 wurde Jenfeld bundesweit bekannt: Die siebenjährige Jessica war gestorben, ihre Eltern hatten das Kind verhungern lassen. In jüngster Vergangenheit machte ein anderer Vorgang Schlagzeilen: der Widerstand vieler Jenfelder gegen die Unterbringung ehemaliger Schwerverbrecher, die aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden mussten, in ihrem Stadtteil. Dabei hat Jenfeld durchaus mehr zu bieten als Hochhäuser und Brennpunkte - und das liegt in erster Linie an den Jenfeldern selbst. Denn viele von ihnen engagieren sich dafür, dass das Leben in Jenfeld schön ist.

Der bürgerliche Teil

Besonders schön ist Jenfeld im Jenfelder Moor und im Moorpark. Hier gehen die Jenfelder spazieren oder fahren mit dem Rad. Im Sommer wird hier gegrillt. In den angrenzenden Straßen befinden sich schöne Einfamilienhäuser. Hinter getrimmten Hecken und sauberen Fassaden wohnen die Bürger der Mittelschicht. Ihre Kirchengemeinde ist Der Gute Hirte an der Rodigallee. Der Kirchturm aus Betonplatten ragt im bürgerlichen Teil Jenfelds deutlich sichtbar heraus - er dürfte einer der wenigen "Plattenbauten" in diesem Teil Jenfelds sein. Sonntags kommen nur noch wenige Bürger zur Kirche, aber wenn Pastor Christoph Karstens mit seiner Band On The Rocks in dem schmucklosen, fast kargen Kirchenraum zur Rockandacht aufspielt, sind die Reihen gut gefüllt.

Ende des Dorflebens

Weiter östlich auf der Rodigallee befindet sich das Einkaufscenter Jenfeld, "Jen" genannt. Die Einkaufsmeile ist zwar nicht modern, sie hat jedoch alle Geschäfte, die man so braucht. Mittags ist das Jen immer voll - in den Imbissbuden und Cafés treffen sich die Jenfelder für einen Klönschnack zur Mittagspause.

Früher gab es in Jenfeld viele Dorfgasthöfe - zu denen Hamburger aus anderen Stadtteilen kamen. Es wurde getanzt, es gab Nusstorte, Eisbein, Maskeraden. Doch Moorkrug, Petershof, Schützenhof, Lindenhof existieren heute leider nicht mehr. Das mag auch daran liegen, dass die Bauern Jenfeld längst verlassen haben. Mit den Bewohnern der Hochhaussiedlungen kamen auch andere Lokale: Es gibt viele gute griechische Lokale in Jenfeld, viele Döner-Läden, ein paar Italiener. Nachts ist in Jenfeld nicht viel los. Ein paar gemütliche Kneipen wären nicht schlecht.

Zwei Welten in West und Ost

Ein Rundgang durch die Hochhaus-Siedlungen im östlichen Teil Jenfelds lenkt den Blick auf die sozialen Probleme: Auf den Spielplätzen treffen sich Jugendliche zum Saufen oder zum Drogen-Konsum. Die Oppelner Straße bezeichnen Sozialarbeiter sogar als "Brennpunkt im Brennpunkt".

"Der westliche Teil und der östliche Teil Jenfelds erscheinen wie zwei Welten, die nicht viel miteinander zu tun haben möchten. Die Menschen leben aneinander vorbei", sagt Pastor Thies Hagge. Seine Friedenskirche liegt mitten im Brennpunkt an der Görlitzer Straße. Damals, als die kleine Jessica gestorben war, suchte Hagge die Kooperation mit dem christlichen Kinder- und Jugendwerk Arche. Mittlerweile steht hinter der Kirche ein modernes Gebäude der Arche. Kinder machen hier Hausaufgaben, spielen, Ausflüge werden angeboten. Auch für ihre Eltern gibt es Hilfe, zum Beispiel bei Behördengängen.

Das Jenfeld-Haus

Das kulturelle Zentrum ist das Jenfeld-Haus in der Charlottenburger Straße. Viele Jahre hatten sich engagierte Jenfelder für ein Bürgerhaus eingesetzt, 1991 wurde es eröffnet. Das Jenfeld-Haus liegt nicht nur zwischen alten Dorfhäusern und den Hochhäusern - es symbolisiert auch selbst die Verbindung zwischen Alt und Neu. In der "Weißen Villa" ist die Verwaltung des Bürgerhauses untergebracht, daneben steht der moderne Anbau mit einem großen Veranstaltungssaal. Im Jenfeld-Haus treffen sich die Senioren zum Frühstück, Integrationskurse finden hier statt, es gibt Tanz-Gruppen, ein Orchester und eine Zirkusschule. "Jenfeld ist ein Stadtteil auf Augenhöhe. Die Leute sind auf dem Teppich geblieben", sagt der Geschäftsführer des Jenfeld-Hauses, Olaf Schweppe.

Wichtig für den Stadtteil sind zwei weitere kulturelle Einrichtungen: das "Malhaus" an der Kelloggstraße, in dem die Jenfelder unter Anleitung von Künstlern malen, töpfern und nähen können. Und das Nachbarschaftszentrum "Jenfelder Kaffeekanne" an der Oppelner Straße, in der sich gebürtige und nicht gebürtige Jenfelder treffen.

Das Engagement der Bürger von Jenfeld wird auch in der Stadtteil-Konferenz deutlich, wo sie ihre Ideen für ihr Viertel einbringen können.

Die Bundeswehr-Uni

Ein Stadtteil im Stadtteil befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Douaumont-Kaserne am Holstenhofweg: die Helmut-Schmidt-Universität. 1972 wurde sie als "Hochschule der Bundeswehr Hamburg" gegründet, seit 2003 trägt sie den Namen des Altkanzlers. Fast 3000 Studierende und 900 Uni-Bedienstete arbeiten hier - damit ist die Uni die größte Dienststelle der Bundeswehr in Hamburg.

Seit 2001 sind Frauen zum Studium an der Bundeswehr-Uni zugelassen. Von den Jenfeldern wird das große Areal jedoch kaum als Teil ihres Stadtteils angesehen - was auch daran liegen mag, dass das Gelände am äußersten Zipfel von Jenfeld liegt.

Der Wandel geht weiter

Im Norden entsteht auf dem Gelände der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne ein neues Stadtquartier mit 770 Wohneinheiten: die Jenfelder Au. Ein Teich soll neu angelegt werden, die Häuser sollen von viel Grün umgeben werden. Die Stadt will Familien verschiedener Generationen, Nationalitäten und Einkommensverhältnisse nach Jenfeld locken. Die Stadtteilkonferenz - und damit die Bürger - waren in die Planung eingebunden. Das neue Wohnviertel soll eine Verbindung sein zwischen dem alten und dem neuen Jenfeld. Und der Beweis dafür, dass sich Jenfeld immer wieder neu erfindet.

In der nächsten Folge am 31.3.: Rahlsteht

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