Auf Hamburgs Straßen starben im vergangenen Jahr 55 Prozent mehr Menschen als im Jahr zuvor. Hauptgrund ist der mildere Winter.

Hamburg. Die Zahl klingt dramatisch: Im vergangenen Jahr sind auf Hamburgs Straßen fast 55 Prozent mehr Menschen ums Leben gekommen als noch im Jahr zuvor. Verkehrsunfälle wie jener am Eppendorfer Baum, bei dem allein vier Menschen ums Leben kamen, und die Kollision zwischen einem Linienbus und einem Feuerwehrfahrzeug, bei der zwei Menschen starben und 23 zum Teil schwer verletzt wurden, haben sich ins kollektive Gedächtnis der Stadt gebrannt. Insgesamt waren es 34 Menschen, die im Jahr 2011 im Hamburger Straßenverkehr zu Tode kamen. Im Jahr zuvor waren 22 Verkehrstote zu beklagen.

Am Freitag veröffentlichte das Statistische Bundesamt die länderübergreifende Verkehrsunfallstatistik. Demnach stieg die Zahl der Verkehrstoten in keinem anderen Bundesland so stark wie in Hamburg. Was allerdings, wie Polizeisprecher Andreas Schöpflin erklärt, vor allem an der in Hamburg außergewöhnlich niedrigen Zahl von Verkehrstoten im Vergleichsjahr 2010 liege. Schöpflin: "Langfristig gesehen ist die Zahl der Verkehrstoten auf Hamburgs Straßen nicht überdurchschnittlich gestiegen. Sie lag im vergangenen Jahr sogar im Durchschnitt der Vorjahre." 2009 etwa verloren 33 Menschen ihr Leben bei Verkehrsunfällen.

+++ Rasanter Anstieg: Erstmals seit 20 Jahren mehr Verkehrstote +++

Dass die Zahl im Jahr 2010 auf 22 absank, habe vor allem mit dem langen strengen Winter zu tun. In dieser Zeit sei es zu mehr Blechschäden, aber auch deutlich weniger schweren Unfällen gekommen - und damit auch zu weniger Verkehrstoten. Die Gesamtzahl der Personen, die in Hamburg im Straßenverkehr verunglückten, stieg um 6,4 Prozent auf 9781. Bundesweit kamen im vergangenen Jahr 3991 Menschen im Straßenverkehr ums Leben, 9,4 Prozent mehr als im Jahr 2010.

Erstmals seit 20 Jahren ist die Zahl der Verkehrsunfalltoten in Deutschland wieder gestiegen. Verletzt wurden 391 544 Personen, 5,5 Prozent mehr als 2010. Der bundesweit unfallträchtigste Monat des Jahres 2011 war der Dezember: In diesem Monat kamen auf deutschen Straßen 364 Menschen ums Leben - und damit mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2010. Die Zahl der Verletzten erhöhte sich um 35,4 Prozent auf 31 400.

In Schleswig-Holstein starben im vergangenen Jahr 120 Menschen im Straßenverkehr, was einer Steigerung um 11,1 Prozent entspricht. In Niedersachsen kamen 60 Menschen und damit zwölf Prozent mehr ums Leben.

Trotz der auf den ersten Blick drastischen Steigerung der Opferzahl in Hamburg gehört die Hansestadt statistisch gesehen zu den Bundesländern mit dem sichersten Straßenverkehr. Umgerechnet auf die Einwohnerzahl hat nur Berlin weniger Verkehrstote zu beklagen. Auf je eine Million Einwohner kommen in Hamburg 19 Menschen im Straßenverkehr ums Leben. In Berlin sind es 16. Zum Vergleich: In Sachsen-Anhalt sterben 78 von einer Million Einwohnern durch Verkehrsunfälle, in Mecklenburg-Vorpommern 87.

Im Langzeitvergleich geht die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland deutlich zurück. Anfang der 70er-Jahre lag die Zahl der auf deutschen Straßen ums Leben gekommenen Personen noch bei über 20 000.

"Der Anstieg der tödlich Verunglückten in Hamburg sollte ein Ansporn für uns sein, nicht aufzugeben und den Trend der sinkenden Zahlen wieder aufzunehmen", sagt Matthias Schmitting, Sprecher des ADAC Hansa. "Denn jeder Verkehrstote ist einer zu viel."

Fakt sei, dass es in den vergangenen 20 Jahren kontinuierlich weniger Verkehrstote gegeben habe. "Die aktuelle Statistik bildet nicht das reale Leben ab - es handelt sich um nackte Zahlen." Zwar habe es in Hamburg mit 34 Toten fast 55 Prozent mehr Verunglückte im Straßenverkehr gegeben. Aber bei einem Blick auf die absoluten Zahlen relativiere sich das Bild wieder, sagte Schmitting. Dass Hamburg zwölf tödlich Verunglückte mehr als im Vorjahr zu verzeichnen hat, liegt laut Matthias Schmitting auch an der Häufung besonders schwerer Unfälle, die sich 2011 in der Stadt ereignet haben. "Dazu zählen unter anderem die Unfälle in Eppendorf und in Tonndorf." Tragische Unglücke wie diese reichten aus, um zu suggerieren, dass grundsätzlich etwas im Argen liege. "Dem ist aber nicht so", sagte der ADAC-Sprecher. Ein Grund dafür, dass die Zahlen der Verkehrstoten seit 20 Jahren bundesweit sinken, liege auch in der verbesserten Sicherheit in den Fahrzeugen. Schmitting: "Zudem ist das Bewusstsein, sich sicher im Verkehr zu bewegen, deutlich gestiegen." Auch dass es für die meisten Autofahrer selbstverständlich geworden ist, sich anzuschnallen und eine Freisprechanlage zu nutzen, unterstütze den positiven Trend.

Die Gesamtzahl der von der Polizei aufgenommenen Verkehrsunfälle hat bundesweit leicht abgenommen: Sie lag im Jahr 2011 bei 2,3 Millionen. Somit ereigneten sich durchschnittlich mehr als 6300 Verkehrsunfälle pro Tag.