Verfassungsgericht stoppt Hamburg. Nichtraucherschutz funktioniert hier aber schon.

Für die Hamburger Bürgerschaft und die beteiligten Hausjuristen der Behörden ist es außerordentlich peinlich. Das "Hamburgische Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens in der Öffentlichkeit" ist nunmehr zum zweiten Mal vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Begründung: Es verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Regelung, dass in kleinen Gaststätten ohne Speisenangebot geraucht, in separaten Räumen größerer Lokale aber nicht geraucht werden darf, liegt damit ab sofort im gesetzgeberischen Mülleimer. Das Karlsruher Urteil darf denn auch getrost als juristische Ohrfeige für die Hamburger Legislative gewertet werden.

Viel schlimmer aber ist, dass nun zum dritten Mal binnen fünf Jahren eine ebenso quälende wie nach Art des HB-Männchens, also leidenschaftlich geführte Debatte über ein leidiges Thema in Gang gesetzt wird. Die jetzt regierende SPD wirft ihren schwarz-grünen Vorgängern erwartungsgemäß Dilettantismus vor, die das natürlich empört von sich weisen; die breite Anti-Raucher-Front wird ein totales Verbot fordern, die Lobby der Gastronomen das Gegenteil. Alte Argumente, neu ausgesprochen. Alles wie gehabt.

Dabei stellt sich, wie bei jedem Gesetz, eine simple Frage: Brauchen wir es überhaupt? Antwort: Wahrscheinlich nicht (mehr). 90 Prozent dessen, was im Gesetzestext steht, ist ohnehin längst gesellschaftlicher Konsens. Niemand würde ernsthaft dafür plädieren, in Kindertagesstätten, Behörden, Schulen oder Jugendzentren die Aschenbecher wieder rauszuholen. Strittig ist allein das Rauchen in der Gastronomie.

Doch selbst dort würde auch ohne jede gesetzliche Regelung die Zeit nicht zurückgedreht werden können. Angebot und Nachfrage haben längst das geregelt, wozu der hamburgische Gesetzgeber nicht in der Lage war: einen funktionierenden Nichtraucherschutz. Das zeigt sich schon daran, dass viele Restaurant-Betreiber, die vor zwei Jahren ihre separaten Raucherräume schließen mussten, sie gar nicht wieder öffnen wollen. Obwohl sie es nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ab sofort wieder tun dürften.

Gastronomen wollen (und müssen) in erster Linie Geld verdienen. Und das funktioniert bei den meisten eben nicht mehr in nikotingeschwängerter Luft. Selbst viele hartgesottene Raucher haben sich nicht nur längst daran gewöhnt, sondern wissen es mittlerweile sehr zu schätzen, ihr Essen qualmfrei serviert zu bekommen.

Natürlich gibt es auch Wirte, die das Rauchen erfreut wieder erlauben werden. Aber ist das ein Problem? Nein. Sie befriedigen eben den anderen, deutlich kleineren Teil der Nachfrage.

Ohnehin hat sich in Teilen Hamburgs eine Praxis durchgesetzt, die von guten alten hanseatischen Tugenden wie gegenseitiger Toleranz und Liberalität geprägt ist. Da fragt der Wirt dann eben nach Küchenschluss um 23 Uhr, ob einer der Gäste etwas dagegen hätte, wenn geraucht würde. Eine funktionierende kleine Gastro-Demokratie mit Einstimmigkeits-Prinzip.

Dass die Bürgerschaft auf eine Neuregelung des Gesetzes verzichtet, ist natürlich höchst unwahrscheinlich. Es wird also neue Paragrafen und wohl auch neue Strafenkataloge geben; Forderungen nach scharfen Kontrollen und hartem Durchgreifen. Aber vielleicht wird es ja auch noch etwas anderes in der Debatte geben: ein wenig Gelassenheit.

Die Gesetze des Marktes allein, das hat die jüngere Vergangenheit uns alle gelehrt, führen wahrlich meist nicht zu den besten Ergebnissen für eine Gesellschaft. In diesem speziellen Fall aber sind sie wahrscheinlich besser als alles, was die Bürgerschaft je beschließen könnte.