Wie Wohnungslose unter der Kersten-Miles-Brücke, Fahrradkuriere, Kapitäne und Beschäftigte der Stadtreinigung die eisigen Tage ertragen.

Hamburg. Des einen Freud, des anderen Leid: Dieses Sprichwort trifft in Zeiten des Kältehochs "Dieter" auf viele Hamburger Berufstätige zu. Während einige Arbeitnehmer bei Temperaturen von bis zu 15 Grad minus im Freien arbeiten, haben andere Berufsgruppen "kältefrei".

"Bei Temperaturen im zweistelligen Minusbereich gehen wir nicht raus. Das ist zu gefährlich", sagt Dachdeckermeister Michael Matthies von der Firma Bendig. Während sich Matthies und seine Kollegen nun schon seit einer Woche über freie Tage freuen, müssen sich andere Beschäftigte, die draußen arbeiten, warm einpacken. Betroffen sind zum Beispiel die Fahrradkuriere. Einer von ihnen ist Manuel Rodrigues, der den ganzen Tag auf seinem Mountainbike unterwegs ist. Die Kälte erschwert ihm die Arbeit enorm. "Die Nase leidet, und die Brust friert", sagt der 47-Jährige. "Man sollte daher nicht zu lange stehen bleiben."

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Das gilt auch für John Wolters, der am Heiligengeistfeld Parkscheine verkauft. Bis zu 200-mal muss er am Tag sein Häuschen verlassen. "Mein Stimme ist schon eingefroren", sagt der 32-jährige bibbernd.

Zu kämpfen haben auch die Mitarbeiter des Recyclinghofs an der Feldstraße. "Wenn die Pausen zu lang sind, wird die Kälte unangenehm", sagt Norbert Löding, während er ohne Handschuhe zwei große Holzpaletten in einen Container wirft.

"So kalt wie heute war es hier seit 30 Jahren nicht mehr", berichtet der 55-Jährige, der seit 1979 bei der Hamburger Stadtreinigung tätig ist. Löding und sein Kollege Jens Hobe sind froh, dass sie von ihrem Arbeitgeber vor wenigen Tagen neue Mützen und dicke Unterwäsche bekommen haben. "Und dann arbeiten wir uns einfach warm."

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Während die Beschäftigten der Stadtreinigung im gesamten Stadtgebiet alle Hände voll zu tun hatten, zog es viele Touristen in den Hafen, um das Panorama der in der Sonne glänzenden Eisschollen auf der Elbe zu genießen. Fleißig gearbeitet wurde aber auch hier. An den Landungsbrücken stand Kapitän Steffen Jannack von der Rainer Abicht Elbreederei stundenlang in der Kälte, um für die Hafenrundfahrt zu werben. Die Nachfrage war trotz der Tiefsttemperaturen hoch. "Die Menschen wollen den Eisschollen so nah wie möglich sein", sagt Jannack. Und auch er selbst wäre lieber auf dem Schiff als am Ufer. "Das Knacken des Eises während der Fahrt ist einmalig", schwärmt der 36-Jährige, während ihm der eisige Hafenwind ins Gesicht weht. Aber auch an Land macht ihm Kältehoch "Dieter" nichts aus. "Ich lege zwischendurch die Füße auf die Heizung, dann lässt es sich gut aushalten."

Wenige Meter weiter sitzen unter der Kersten-Miles-Brücke die Obdachlosen und wärmen sich die Hände über einem Holzkohleofen. Die Kälte bereitet den Menschen hier keine Probleme. Die Hunde haben sich unter die Decken verkrochen. Einige Obdachlose trinken Dosenbier mit Eisstückchen. "Wir überleben das. Man muss sich nur gut ausrüsten", sagt Max Wilkens, der den gesamten Winter unter der Brücke auf St. Pauli verbringt. Ein Umzug in ein Obdachlosenheim kommt für ihn und seine Kollegen nicht infrage. "Und wenn es minus 50 Grad werden - da gehe ich nicht hin", sagt der 26-Jährige. "Mir ist die Ansteckungsgefahr zu groß. Dort kann jeder wohnen. Vom Heroinabhängigen bis zum Müllsammler. Es gibt zu viele Dinge, die ich nicht auf mich nehmen will", erklärt er.

Die kalten Nächte im Freien seien nicht schwer zu durchstehen. "Ich schwitze sogar in meinem Schlafsack." Unterstützung erfahren die Männer unter der Brücke von vielen Hamburgern, die den Obdachlosen Heißgetränke, Decken oder Kohlen zur Verfügung stellen. "Ein großes Dankeschön an die Bürger", sagt Wilkens. "So viel Hilfe hätten wir nicht erwartet."