Hamburgs Altbürgermeister spricht als Zeuge im Untersuchungsausschuss Elbphilharmonie aber auch von vielen Erinnerungslücken.

Hamburg. Der große Festsaal im Rathaus lässt kaum einen Besucher unbeeindruckt. Groß wie eine Dreifeldturnhalle, hoch wie ein Kirchenschiff, reicht verziert mit vergoldeten Schnitzereien, Säulen und Figuren, eingerahmt von riesigen Gemälden, die wichtige Stationen der Hamburger Geschichte darstellen - ins Licht gesetzt von drei tonnenschweren Kronleuchtern.

Ole von Beust war oft in diesem Saal. Als Erster Bürgermeister hat er hier Reden gehalten, Bürger geehrt und Staatsgäste empfangen. Meist stand oder saß er dabei mit Blick in den Saal. Gestern musste er dem größeren Teil des Raums im Rathaus den Rücken kehren. Vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) blickte er stattdessen auf ein kleines weißes Schild auf seinem Tisch: "Zeuge" stand darauf. Vor ihm saßen Abgeordnete der Bürgerschaft, mehrheitlich von der SPD, und wenn er den Blick hob und auf die gigantische Hafenszenerie aus dem Pinsel Hugo Vogels lenkte, dann sah er direkt vor sich den Punkt im Hafen, an dem seit einigen Jahren der Grund für seine Vorladung entsteht: die Elbphilharmonie.

+++ Das sind die Vorwürfe +++

+++ Dieser Weg wird kein leichter sein +++

+++ Elbphilharmonie: Der schwere Gang des Ole von Beust +++

Der Ausschuss hatte sich von dem CDU-Politiker Aussagen darüber erhofft, warum die Sache so aus dem Ruder läuft und welchen Anteil er daran hat. Doch noch bevor die Parlamentarier Fragen stellen konnten, nahm von Beust ihnen den Wind aus den Segeln. "Ich übernehme die politische Verantwortung für alles, was in meine Zeit als Bürgermeister fällt", sagte er schon vorab, als er um Punkt 16 Uhr die Treppe zum Saal heraufkam. Im Blitzlichtgewitter (Beust: "Das ist ja wie früher") stellte er aber auch klar, dass er keine Schuld bei sich sehe. "Schuld setzt Vorsatz voraus, und Vorsatz schließe ich aus."

Damit war der Ton vorgegeben für die kommenden gut fünf Stunden, für eine Mischung aus Vorwärtsverteidigung und erheblichen Erinnerungslücken. Wie andere Zeugen auch nutzte Beust - grauer Anzug, blau-graue Krawatte - seinen Auftritt im PUA, um zu Beginn eine Erklärung abzugeben. Und die beinhaltete ebenjene vor dem Saal festgesetzte Abgrenzung. "Als Bürgermeister war ich für alle Entscheidungen politisch verantwortlich - für die guten wie die schlechten. Und zu den guten Entscheidungen gehört der Bau der Elbphilharmonie. Ich würde diese Entscheidung wieder so treffen."

Das Konzerthaus sei nicht als Prestigebau für die Stadt oder für ihn geplant gewesen, sagte von Beust. Seine Motivation sei gewesen, der Stadt zu einem "Alleinstellungsmerkmal" zu verhelfen und der Kultur zu einen angemessenen Platz in der Stadt. Er "bedaure", dass die heutigen Vorgänge "die richtige Entscheidung belasten".

Diese "Vorgänge", das ist ein mittlerweile auch juristischer Dauerstreit zwischen der Stadt und dem Baukonzern Hochtief über die Bauzeit und die Kosten. Heute wird ein Gerichtsurteil erwartet, ob Hochtief Anspruch auf eine Bauzeitverlängerung hat - dabei geht es letztlich darum, wer mögliche weitere Kostensteigerungen um 100 bis 200 Millionen Euro übernehmen muss. 2008 waren die Kosten für die Stadt schon von 114 auf 323 Millionen Euro gestiegen. Die einst für 2010 geplante Fertigstellung der Elbphilharmonie wird derzeit für 2014 oder 2015 prognostiziert.

Als Hauptproblem des Projekts gilt allgemein die vertrackte Vertragslage zwischen Stadt, Hochtief und den Architekten Herzog & de Meuron sowie der überstürzte Baubeginn. Beust wies jedoch kategorisch zurück, damals Druck ausgeübt zu haben: "Niemals habe ich direkt oder indirekt politischen Einfluss auf Zeitpläne genommen." Für ihn sei es immer "unerheblich" gewesen, wann die Elbphilharmonie fertig wird. "Wichtig war mir, dass sie fertig wird." Und Zeitdruck seitens der Stadt hätte nur die Position von Hochtief gestärkt.

Allerdings widersprach er sich später, als er einräumte, dass er "an weiteren Verzögerungen kein Interesse" hatte. Dabei ging es um Vorgänge im Spätsommer 2006, als der Baukonzern Strabag sich wegen mangelhafter Ausschreibungsunterlagen außerstande sah, ein Angebot abzugeben und daher das Vergabeverfahren gerügt hatte. Beust selbst hatte daraufhin den Strabag-Chef in einem Brief um eine gütliche Einigung gebeten. Sogar Aufträge in Hamburg und eine (nie gezahlte) "Abfindung" in Höhe von drei Millionen Euro wurden Strabag später in Aussicht gestellt. Über diese Details dieses Deals wusste der frühere Bürgermeister aber nichts mehr, er habe sich dabei auf den damaligen Chef der städtischen Realisierungsgesellschaft (ReGe), Hartmut Wegener, verlassen.

Dem 2008 geschassten SPD-Mann, der schon Großprojekte wie die Airbus-Erweiterung betreut hatte, habe er voll vertraut, sagte Beust und beschrieb das als seine politische Maxime: "Der Bürgermeister gibt die politischen Linien vor", ansonsten müsse er sich auf seine Fachleute verlassen.

Dass schon die Architekten massiv vor der Ausschreibung gewarnt hatten, dass Strabag gar kein Angebot abgegeben hat, warum die von der ReGe ausgehandelten Bauverträge nicht von den Behörden geprüft wurden, wer die Termine eigentlich festgelegt hat, warum in Behördenvermerken steht, dass "unbedingt" ein Eröffnungstermin 2009 gehalten werden soll - an all das und einiges mehr erinnerte sich Beust nicht mehr. Zu erklären versuchte er das mit der Fülle seiner Termine und Themen: "Ich habe manchmal das Phänomen, dass ich mich schon nach 14 Tagen nicht mehr an Termine erinnere."

Wenn der Ausschussvorsitzende Ole Thorben Buschhüter (SPD) es genauer wissen wollte, wurde Beust mitunter kiebig. So bei der Frage, welche Entscheidungen nicht er, sondern andere getroffen haben. "Wie meinen Sie das?", fragte er Buschhüter. Welche grundlegenden Entscheidungen nicht der Bürgermeister getroffen habe, wiederholte der Vorsitzende. "Was ist denn grundlegend?", fragte Beust. Darauf Buschhüter: "Was meinen Sie denn?" Da reichte es Beust: "Wir machen doch kein Quiz hier!" Die Frage blieb unbeantwortet.

Auch als Beust mehrfach Sätze mit "Ich persönlich ..." begann und ihn der Vorsitzende darauf hinwies, dass es nicht um seine Meinung als Privatperson gehe, sondern um seine Erinnerung als Ex-Bürgermeister, wurde es heiß. "Ich bin ja nicht schizophren", blaffte Beust, Amt und Person seien ja nicht zu trennen.

Immerhin: Dass der Senat Parlament und Öffentlichkeit Ende 2008 in einer Drucksache darüber informierte, dass es nach dem Nachtrag 4 nun einen "nach oben gedeckelten Kostenrahmen" gebe, nannte er unglücklich. Es habe ja nur einen finanziellen Puffer gegeben, keinen Deckel. Aber auch für diese Drucksache galt: "Die Formulierung ist nicht von mir."