CDU und SPD wollen bundesweite Regel für junge Radfahrer erreichen - Altersgrenze offen. Studien belegen mehr Sicherheit, Fahrradklub ist dagegen.

Hamburg. Alle vier Stunden ist im Jahr 2009 ein Rad fahrendes Kind schwer verletzt worden. Mehr als ein Viertel der Kinder, die im Jahr 2009 im Verkehr getötet wurden, hatten einen Fahrradunfall. Die amtliche Statistik besagt: Bei der Hälfte der tödlich verunglückten Radfahrer war eine Kopfverletzung die Todesursache. Fakten, die für CDU-Bürgerschaftsfraktion Anlass waren, sich mit dem Thema Helmpflicht für minderjährige Radfahrer zu beschäftigen.

"Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die Akzeptanz nur durch Aufklärung und Appelle nicht merklich zu einer höheren Helmtragequote geführt hat", begründet der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion Klaus-Peter Hesse das Engagement. Und auch die SPD steht dem Ganzen positiv gegenüber. Das verwundert nicht. Denn es war die SPD, die - damals noch in der Opposition - bereits im Juli 2007 die Helmpflicht für Radfahrer bis zum 14. Lebensjahr gefordert hatte. Die damals regierende CDU zog nach und beschloss im August 2007 einen eigenen Antrag zur Helmpflicht. Bis es zur Senatsmitteilung kam, wurde es Januar 2008 und mit der Bürgerschaftswahl im selben Jahr fiel dieser Antrag dann quasi hinten über. Die neue, damals schwarz-grüne Regierungskoalition hatte das Thema nicht mehr aufgegriffen.

Nun also ein neuer Anlauf. Klar ist: Ein Helm alleine kann keinen einzigen Unfall verhindern. Und doch scheinen internationale Vergleiche den Fraktionen recht zu geben. Sie belegen: Eine gesetzliche Fahrradhelmpflicht stellt ein "wirkungsvolles Mittel dar, um sowohl die allgemeine Helmtragequote zu erhöhen als auch die Zahl und den Anteil schwerer Unfallverletzungen von Radfahrern zu senken".

Gegen die Einführung einer solchen Fahrradhelmpflicht bestehen bei Experten allerdings auch verfassungs- und zivilrechtliche Bedenken. Nach Auffassung einer Arbeitsgruppe, die vom Thüringer Verkehrsministerium zu dem Thema einberufen worden war, seien "verstärkte Überzeugungsarbeit und bundesweite Kampagnen zur Steigerung der Helmtragequote in Kombination mit verkehrssicherem Verhalten der Einführung einer Fahrradhelmpflicht vorzuziehen".

Keine Zweifel kamen der Thüringer Expertenkommission an der Wirksamkeit von Helmen im Hinblick auf das Verletzungsrisiko. "Der Helmeffekt fällt in dieser Hinsicht deutlich aus, insbesondere weil in den letzten Jahren deutliche Fortschritte in der Qualität der Helme zu verzeichnen sind", heißt es im Abschlussbericht der Kommission. Das Risiko, bei einem Fahrradsturz ein Schädel-Hirn-Trauma zu erleiden, verringert sich durch das Tragen eines Helms um mehr als zwei Drittel, je nach Studie sogar um drei Viertel. Da die Altersgruppe der Zehn- bis 15-Jährigen laut amtlicher Unfallstatistik als Radfahrer besonders gefährdet ist, könnte die Einführung einer Helmpflicht laut Experten einen positiven Effekt haben.

Der Verein Dago Kinderlobby ist überzeugt von einer gesetzlichen Regelung.

"Vor allem bei Teenagern ist es schwer, sie vom Tragen eines Helms zu überzeugen. Eine Tragepflicht könnte eine echte Erziehungshilfe für Eltern sein", sagte Sprecherin Edith Aufdembrinke. Von der Wirksamkeit des Fahrradhelms ist sie ohnehin überzeugt. Sie schlägt schönere Helmmodelle vor, um sie auch bei Jugendlichen besser durchsetzen zu können.

Und tatsächlich, die Statistik belegt: Je älter die Kinder werden, desto weniger tragen sie einen Fahrradhelm (siehe Grafik). Ein Drittel der Sechs- bis Zehnjährigen nutzen den Helm, bei den Elf- bis 16-Jährigen waren es 15 Prozent, bei Jugendlichen ab 17 Jahren nur drei bis acht Prozent.

Der Fahrradclub ADFC ist trotzdem erklärter Gegner einer Helmpflicht für Fahrradfahrer. "Radfahren ist nicht gefährlich. Wer eine Helmpflicht fordert, verkennt Ursache und Wirkung der Unfallgefahr und zielt - wenn überhaupt - populistisch nur auf die Symptome, statt die Erkenntnisse moderner Mobilitätsforscher zu berücksichtigen", sagte Sprecher Dirk Lau dem Abendblatt. Er räumt der Bundesratsinitiative keine Chancen ein.

Die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Martina Koeppen, hält dagegen und sagt: "Mit der Initiative können wir beim Bund im Sinne der Kinder nur offene Türen einrennen." Andere Bundesländer müssten schon "sehr gute Argumente haben", um die Initiative abzulehnen, sagt Koeppen. Sie begrüßt den Vorstoß der CDU-Fraktion ausdrücklich, zumal es eine Idee der SPD wieder aufnehme.

Klaus-Peter Hesse ist überzeugt davon: "Es muss Aufgabe von Politik sein, wie beim Autoverkehr oder bei Motorrädern auch über angemessenen Selbstschutz von Radfahrern nachzudenken."

Einfach durchwinken wird die SPD den CDU-Antrag aber nicht. Im Verkehrsausschuss soll unter anderem die Altersgrenze für die Helmpflicht noch einmal debattiert werden.