An der Vorschule Goosacker in Osdorf üben schon Fünfjährige den Umgang mit Zahlen. Bereits 82 Grundschulen mit Mathe-Schwerpunkt.

Osdorf. "Mathe ist doof!" Allen Mathe-Hassern, die dieses Fach nie beherrscht haben, spricht dieser Klospruch auf Schülertoiletten aus der Seele. Mathe, das ist für viele ein Schreckgespenst. Dabei muss es gar nicht so weit kommen. Die Grundschule Goosacker in Osdorf zeigt, wie bereits fünfjährigen Vorschülern der Spaß an Zahlen und Formen vermittelt werden kann. Dort ist Mathe ein Schwerpunkt, auch im Vorschulunterricht - seit dem Herbst 2011 wird das jetzt weiter intensiviert.

In dem Klassenraum der Vorschulklasse lebt eine Mäusemutter mit ihren sieben Jungen im Glasterrarium. Was haben Mäuse mit Mathe zu tun? Diese Mäusezucht bringen die 16 Vorschüler gemeinsam mit ihrer Lehrerin Ilona Bogdanski in eine mathematische Reihenfolge. Für jeden Tag, den die Mäusekinder auf der Welt sind, gibt es einen Strich auf einem Zettel am Terrarium. Heute sind es 34 Striche. In zehn aufeinander aufbauenden Schritten lernen die Kinder nicht nur die Zahlen von 1 bis 10 als Ziffer, als einfachen Strich, als entsprechend viele Finger an der Hand, oder als Punkt wie auf einem Würfel kennen. Sie lernen Reihenfolgen zu erkennen. So ist im ersten Schritt ihr Mäusebuch noch leer, im zweiten Schritt malen sie das Deckblatt für das Buch an, von Punkt 3 bis 10 geht es um die Materialien für den Nestbau ihrer Mäuse.

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Eine Viertelstunde wird täglich an einem Thema wie der Mäusezucht gearbeitet. Häufig auch ganz nebenbei. Dann fragt Ilona Bogdanski die Kinder, wie viele Sachen sie heute in ihrer Brotdose haben, was sie davon schon gegessen haben und wie viel übrig geblieben ist. Rechnen für die Kleinen eben. "Ich bin ein Fan davon, Mathe nicht am Tisch zu machen, sondern in Bewegung", sagt die Sozialpädagogin. Deshalb wird auch die Sportstunde mit Zahlen in Verbindung gebracht: vier Füße, drei Kinder, zwei Arme - mit ihren Körperteilen können die Kinder zusammenzählen und teilen lernen.

An diesem Vormittag sind Mieke und Sophie gerade dabei, bunte Plastikperlen nach einem vorgegebenen Muster auf ein Band zu fädeln. Hier geht es darum, Muster zu erkennen und eine bestimmte, logische Reihenfolge einzuhalten. "Dabei müssen sie sich wahnsinnig anstrengen, das erfordert eine Menge Konzentration", sagt Bogdanski. Alles im Leben, so scheint es, ist Mathematik. Selbst beim Malen spielt sie eine Rolle, gerade bei den Proportionen. "Wie groß sind die Augen im Verhältnis zum restlichen Körper, auch das gehört mit zu Mathe", sagt Ilona Bogdanski. Die 49-Jährige liebt das, was sie tut. Das ist ihr anzusehen. Sie scheint begeistert zu sein von Mathematik. Und das obwohl sie selbst als Schülerin am Gymnasium mit dem Fach nur wenig anfangen konnte. Gerade hat sie eine Weiterbildung in mathematischer Frühförderung am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung abgeschlossen. Dass Mädchen in Mathematik schlechter seien als Jungen, kann Ilona Bogdanski nicht bestätigen.

"In dieser Altersstufe kann ich da keinen Unterschied feststellen. Ich habe gerade zwei tolle, fitte Mädchen. Die muss ich mit Aufgaben regelrecht füttern", sagt sie. Es sei eben auch eine Frage, wie man die Kleinen für solche Themen begeistern kann. "Die sollen Spaß haben und Erfolgserlebnisse. Das motiviert sie." Die Grundschule Goosacker ist seit 2004 eine von inzwischen 82 Sinus-Grundschulen in Hamburg. Das sind Schulen, die einen Mathematik-Schwerpunkt haben. Das Programm (Sinus steht hier für Steigerung der Effizienz des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts) gibt es seit acht Jahren in Hamburg. "Das bedeutet aber nicht, dass Sinus-Schulen mehr Mathematikunterricht haben als andere Grundschulen, sondern dass sie besseren Unterricht anbieten", sagt Oberschulrat Werner Renz, der für die Entwicklung des mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Unterrichts in der Schulbehörde zuständig ist.

Die Lehrer werden entsprechend fortgebildet, sie finden heraus, wo Stärken und Schwächen von Schülern liegen, um ihnen Anregungen geben zu können, Unterrichtsmaterialien werden überarbeitet und weiterentwickelt. Die beteiligten Schulen kommen monatlich zu Netzwerkkonferenzen zusammen. "Wir haben festgestellt, dass sich die Leistungen der Schüler in Mathematik und in den Naturwissenschaften durch dieses Programm verbessert haben", sagt Renz. Wichtig sei dabei auch die Schnittstelle zwischen Vorschule und erster Klasse. Renz: "Es lässt sich schon im Vorschulalter eine Menge machen, damit die Kinder einen leichten Einstieg in die Mathematik haben."

Zurzeit erarbeiten die Lehrer der Grundschule Goosacker für besonders begabte Mathematik-Kinder aus den beiden Vorschulklassen eine Förderung in den zukünftigen ersten Klassen - eventuell durch jahrgangsübergreifendes Lernen. "Unsere Vorschulkinder kommen mit einer positiven Einstellung in den Mathematikunterricht, ohne Angst. Sie haben ein Selbstbewusstsein", sagt Sara Klawiter, die "Sinus-Beauftragte" an der Grundschule Goosacker. So werden die Kinder von Anfang an mit Mathe vertraut gemacht.

Auch Mutter Andrea Schumacher ist von der Mathematik in der Vorschule begeistert. Ihre Tochter Anuschka besuchte die Vorschulklasse von Ilona Bogdanski. Mittlerweile ist Anuschka zwölf Jahre alt und in der sechsten Klasse des Gymnasiums Blankenese. Dort nahm sie auch an der Mathe-Begabtenförderung teil. "Ich bin dieser Vorschule und Schule sehr dankbar, zumal Mathe nie meine Sache war, ganz im Gegenteil", sagt Andrea Schumacher. Die Angst der Elterngeneration, nicht rechnen zu können, komme gar nicht erst auf.

Die Grundschule Goosacker lädt heute alle Interessierten zu einem Hospitationstag ein. Eltern haben von 10 bis 11.30 Uhr die Gelegenheit, den Unterricht mitzuerleben (Goosacker 41).