Sprachexperte Peter Berger schult Behördenmitarbeiter und rätselt selbst bei einigen Formularen

Hamburg "Lichtbild" statt "Foto", "entrichten" statt "zahlen": Behördensprache ist oft umständlich. Der Journalist und Medienberater Peter Berger, 52, hat sich zum Ziel gesetzt,Beamten ein verständliches Deutsch beizubringen. Seit 2004 hat er mehr als 3000 Verwaltungsmitarbeiter geschult. Sein Buch "Flotte Schreiben vom Amt" ist ein Werk gegen Behördendeutsch. Im Abendblatt-Gespräch erzählt er, warum ein Tag genügt, um verständlicher zu formulieren, und was dieNiederlande besser machen.

Hamburger Abendblatt:

Herr Berger, haben Sie ein Lieblingswort im Amtsdeutschen?

Peter Berger:

Ja, Grundstücksverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung.

Hui, das sind - Moment - 18 Silben. Und was heißt das?

Berger:

Damit wurden Zuständigkeiten der Oberfinanzdirektion Berlin auf das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen übertragen.

Wie entstehen solche Wortungetüme?

Berger:

Das ergibt sich aus dem Behördenanspruch, juristisch korrekt zu formulieren. Dabei bleibt die Verständlichkeit auf der Strecke, zumal viele Sachbearbeiter nach dem Motto handeln: Schreib das Gesetz ab, dann machst du nichts verkehrt.

Warum haben Sie angefangen, das Behördenkauderwelsch zu übersetzen?

Berger:

Ausschlaggebend war eine Anfrage von Axel Gedaschko. Als Landrat in Harburg sollte er 2004 drei Papiere unterzeichnen, die er selbst als gelernter Verwaltungsjurist nicht verstand. In einem Projekt haben wir die Formulare und Anschreiben der Landkreisbehörden verständlicher gemacht.

Gibt es da eine Faustregel?

Berger:

Im Prinzip ist es wie im Journalismus: Die Nachricht muss nach vorn, das Gesetz, also die Erklärung, nach hinten. Paragrafen sollten in Klammern gesetzt werden. Hinzu kommen einfache Regeln (siehe Infokasten).

Hat Ihr Projekt geholfen, Formulare verständlicher zu machen?

Berger:

Das lässt sich schwer messen. Aber bei umformulierten Merkblättern der Naturschutzbehörde gab es danach weniger Fragen von Bürgern. Ähnliches war aus vielen Abteilungen zu hören. Das kann man als Erfolg werten. Insgesamt ist das Umstellen auf eine verständliche Sprache ein langer Prozess, bei dem es auch darum geht, bürgernäher zu formulieren. In einigen Bereichen ist das aber gar nicht gewollt.

Welche Bereiche sind das?

Berger:

Absichtlich unverständlich wird häufig bei Ordnungswidrigkeiten formuliert. Das soll schon so klingen, als sei die Behörde im Recht. Deshalb wird der Paragraf nach vorn geschoben und hoheitlich geschrieben. Ganz allgemein sind Schreiben der Justiz- oder Finanzbehörden meist nach diesem Obrigkeitsduktus verfasst.

Wie lange brauchen Sie, um Behördenmitarbeiter zu schulen?

Berger:

Die Schulung selbst dauert nur einen Tag. Aber damit ist die Arbeit noch lange nicht getan.

Wie sieht das praktisch aus?

Berger:

Erst schule ich eine Projektgruppe. Mit ihr werden die bestehenden Formulare, Merkblätter und Anschreiben analysiert. Wo liegen die Probleme? Was kann geändert werden? Und wie? Mit diesen Ergebnissen geht es zu den Behördenmitarbeitern. Die Projektgruppe achtet anschließend darauf, dass die neuen Schreibregeln in den Abteilungen eingehalten werden.

Wie wird Ihr Angebot aufgenommen?

Berger:

Das ist sehr unterschiedlich. Zum Teil stellen Behördenmitarbeiter ihre Anschreiben selbst infrage. Andere haben sich in jahrzehntelanger Arbeit mit dem gängigen Amtsdeutsch angefreundet. Dann ist das Umgewöhnen natürlich eine Menge Arbeit.

In welchen Behörden waren Sie bereits?

Berger:

Bisher haben sich Mitarbeiter der Baubehörde, der Wirtschaftsbehörde und der Gesundheitsbehörde schulen lassen. Insgesamt habe ich in den vergangenen Jahren mehr als 3000 Behördenmitarbeiter unterrichtet.

Von welchen Ländern kann man bürgernahe Verwaltung lernen?

Berger:

In Schweden sind Verwaltungen ausgezeichnet worden, weil sie Formulare mit Comic-haften Zeichnungen verständlich machen. Auch die Niederlande gelten als bürgernah. In E-Mails aus der Verwaltung werden oft ein Porträtfoto des Sachbearbeiters sowie eine sehr persönliche Ansprache verwendet.

Verstehen Sie jedes Behördenschreiben?

Berger:

Nein, ich verstehe auch nichtalles. Steuerformulare sind ein Graus.