Der Hamburger Unternehmer ist im Alter von 89 Jahren gestorben. Schnabel trug die Liebe zu Hamburg seit seiner Jugend im Herzen.

Hamburg. "Gestorben wird auf der Bühne, nicht im Sessel", sagte Hermann Schnabel einst in einem Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt. Ganz geschafft hat er das nicht. Aber fast. Der gebürtige Schlesier, der die Liebe zu Hamburg seit seiner Jugend im Herzen trug, war bis zuletzt aktiv. Er ist friedlich eingeschlafen, heißt es aus dem Familienkreis: Am vergangenen Mittwoch um 5.50 Uhr, in der vertrauten Umgebung seines Hauses im Norden der Hansestadt. Einer der namhaftesten Hamburger und erfolgreichsten Unternehmer Deutschlands, der es aus dem wirtschaftlichen Nichts zum Milliardär brachte, wurde 89 Jahre alt. Die Beerdigung, so war es sein ausdrücklicher Wunsch, soll kein Staatsakt sein, sondern in engster Runde stattfinden.

+++ Biografie von Hermann Schnabel: Das Geld liegt auf der Straße +++

Mit Schnabel, dem Professor honoris causa, verschwindet eine Persönlichkeit aus dem aktiven Stadtbild, die trotz ihres Vermögens und ihrer beruflichen Erfolge immer Mensch blieb. Der Vollblut-Unternehmer, der die Folgen eines Schlaganfalls in den vergangenen Jahren mit Energie und Disziplin meisterte, besuchte noch im vergangenen Monat sein kleines, bescheiden eingerichtetes Kontor im Gebäude der Helm AG in der Nordkanalstraße.

1950 hatte der damals 29 Jahre alte Kaufmann die winzige Firma für 3000 Mark erworben und sie zu einem der weltweit größten Handelshäuser für Chemikalien, Kunststoffe, Pharmarohstoffe und Futtermittel geformt. Aktuell verfügt der Konzern über 84 Niederlassungen und 1300 Mitarbeiter in aller Welt. Zuletzt betrug der Jahresumsatz mehr als neun Milliarden Euro. Hermann Schnabels Sohn Dieter lenkt die Firmengeschäfte seit mehr als einem Vierteljahrhundert. Eine Tochter lebt in den Vereinigten Saaten, ein weiterer Sohn betätigt sich als Galerist.

"Mein Leben war ausgefüllt, es hat mich glücklich gemacht", sagte der großzügige Mäzen im Februar dieses Jahres bei einem Abendblatt-Termin in seinem Büro. Schnabel trank roten Früchtetee, freute sich des Daseins und klönte mit Ehefrau Else, seiner früheren Sekretärin mit dem Mädchennamen Meybaum, über gemeinsame Meilensteine. Den 44. Hochzeitstag feierten beide Seite an Seite im Restaurant Haerlin des Hotels Vier Jahreszeiten. Genau dort hatten sie sich das Jawort gegeben. Schnabels erste Gattin war sehr früh an Krebs gestorben.

Dass es zwischen Else und Hermann immer noch funkte, war bis zum Schluss zu spüren. Sie kümmerte sich rührend um ihn, und er reagierte darauf mit zärtlichen Worten und tiefer Dankbarkeit. "Hermann ist alles andere als ein Freund von Widerworten und hat bis ins höchste Alter stets den Ton angegeben", weiß ein Geschäftspartner und Freund. "Aber bei seiner Else verhielt er sich von jeher zahm wie ein Lamm."

Sie war es auch, die ihn unermüdlich unterstützte. Bei der Pflege seiner 850 000Motive umfassenden Briefmarkensammlung in 1200 Alben, aber auch bei seinem letzten großen Projekt. Fast zwei Jahre arbeitete Hermann Schnabel daran, seine Lebenserinnerungen festzuhalten. Mehr als 600 Seiten kamen zusammen, die Zeugnis ablegen von einem Lebensweg mit Seltenheitswert.

Der Titel dieser jüngst veröffentlichten Memoiren ist Programm. "Das Geld liegt auf der Straße", steht in goldfarbener Schnörkelschrift auf dem Buchumschlag. Der kleine, entscheidende Zusatz prangt darunter: "Man muss sich nur bücken." Dabei bewies der Autor meisterliche Fähigkeiten.

Der Weg führte von der Geburt am 29. März 1921 im Riesengebirge, dem ärmsten Teil des damaligen Deutschen Reiches, bis zu glorreichen Wirtschaftswunderjahren.

Die Stationen dazwischen waren von Visionen, Mut und enormem Kampfgeist geprägt. Wie die Lehrzeit zum Lebensmittelkaufmann von 1935 an in einem Tante-Emma-Laden beweist. Drei Jahre später wechselte der junge Mann als Erster Verkäufer zu Schade & Füllgrabe in Leipzig. Dort diente sich der ehrgeizige Schlesier zum Filialleiter hoch. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Schnabel an der Oder durch 13 Granatsplitter und eine Pistolenkugel schwer verletzt. Als Invalide auf zwei Krücken wurde er später von den Sowjets entlassen. Die Kraft reichte, als einer der erfolgreichsten Schwarzmarkthändler Sachsens viel Geld zu verdienen. Nach der Währungsreform 1948 war alles weg. Der Verkaufsprofi besaß 40 Mark.

Mit diesem Startkapital in der Tasche vernahm Hermann Schnabel den Lockruf des Geldes - allerdings aus westlicher Richtung. In der Nacht des 13. Februar 1949 schwamm er mit seiner Familie durch die Ocker. Von einem Verschiebebahnhof ging es mit einem Bummelzug via Goslar nach Hamburg. "Die Hansestadt war schon immer Zentrum meiner Träume", sagte der Paradeunternehmer kurz vor seinem Tod, "und es war höchstes Vergnügen, hier beruflich durchzustarten."

Diese Rechnung ging auf - in jeder Beziehung.