Die Hamburgerin und Lektorin Bettina von Bülow verkauft ab sofort zigarettenpäckchenkleine Asphaltliteratur aus Automaten.

Hamburg. Die Wand am Abaton-Kino im Grindelhof, neben der Pony Bar, ist rau und widerstandsfähig. Da passt der grüngelbe Automat gut hin, er glänzt nicht und sieht robust aus. Früher wurden in seinem Inneren Zigarettenschachteln geschichtet, jetzt sind es Bücher in Zigarettenschachtelformat. Zehn dieser liebevoll gestalteten Miniaturen sind es, die seit gestern in unmittelbarer Uninähe zu haben sind. Demnächst sollen drei weitere Automaten aufgehängt werden: in der Schanze, am Literaturhaus und im Hafen. Wer hier seine bibliophile und geschäftstüchtige Idee umgesetzt hat, steht auch auf dem wuchtigen Gerät, das länger nicht in Gebrauch war: der Hamburger Automatenverlag.

Hinter dem steht die Lektorin Bettina von Bülow, ehemals Hoffmann und Campe, Fischer und Rowohlt. Eine, die weiß, wie der Buchmarkt funktioniert, und nach ihrem Ausstieg bei den Großverlagen nun auf die Straße geht, um Asphaltliteratur zu machen - und den herkömmlichen Vertriebswegen auszuweichen. "Das Buchgeschäft gefällt mir nicht, die Macht von Thalia oder Hugendubel wächst", sagt die 45-Jährige.

Der neu gegründete Verlag kommt ohne Umweg zum Leser. Die Autoren sind handverlesen und stammen zumeist aus Hamburg. Die Kleinstarbeiten sind bis auf wenige Ausnahmen für das Format geschaffen worden: ein "Stadtführer für erwachsene, berufstätige Frauen" etwa, zusammengetragen von 50 Hamburgerinnen. Eine Comicreportage in zwei Bänden von der Illustratorin Ulli Lust, der Kriminalroman "Hamburger Verkehr" von Gunter Gerlach. Manches ist älter: Etwa der Auszug aus Italo Svevos "Das Rauchen". Außerdem gibt es ein Kochbuch für Kinder und anderes mehr. Es ist eine Sammlung aus literarischen, grafischen und Gebrauchstexten, die künftig in Hamburg jeder am Automaten ziehen kann. Als Sammelobjekte kann man sich die vier Euro teuren Büchlein gut vorstellen oder als unterwegs besorgte Geschenke für einen Geburtstag.

Bettina von Bülow hatte ihre Geschäftsidee zuletzt auch auf einer Tagung von Kulturschaffenden im Westwerk vorgestellt, sie erklärte dort: "Man darf sich nicht zu fein sein und muss auf die Suche nach Unterstützern gehen." Die hat sie gefunden. Die Hamburgische Kulturstiftung und zwei private Stifter sind als Teilfinanziers eingesprungen. Besorgt werden mussten ausrangierte Zigarettenautomaten. Von Bülow, ehemalige Barbetreiberin, wurde in Frankfurt fündig. Ihre Idee ist übrigens nicht ganz neu: Literaturautomaten gibt es bundesweit, aufgestellt vom Verlag "SuKuLTuR". Der benutzt freilich Kühlautomaten und platziert das Lese- neben tatsächlichem Futter. Und Reclam, der Verlag mit den gelben Klassikern, stellte ab 1912 seine automatischen Literaturverteiler in Berlin auf.

Das Kulturgut Buch, um das sich einige Sorgen machen wegen der Macht der Großgeschäfte und der digitalen E-Books - soll es vom Automatenverlag auch ein bisschen gerettet werden? Zu hoch gegriffen, sagt von Bülow. "Aber missionarischer Geist ist schon dabei. Ein Schwerpunkt soll Lyrik sein, die es immer schwerer hat, auf dem normalen Buchmarkt unterzukommen."

Vielleicht ist auch ein anderer Umstand nicht zu unterschätzen: Wo der Buchkauf oft immer noch ein bildungsbürgerlicher Akt ist, könnte nun eine Art Schwellenangst wegfallen. "Auch darauf setzen wir", sagt von Bülow. Autorenlesungen sind geplant, und kaufen kann man die Bücher auch auf der Internetseite des kleinen Unternehmens. Von jedem Titel wurden bislang 300 Exemplare gedruckt. "Für Nachschub wäre schnell gesorgt", sagt von Bülow und steckt sich eine Zigarette an, obwohl sie vor zehn Jahren aufgehört hat mit dem Rauchen. Zur Feier des Tages.

Im Internet: www.automatenverlag.de