Aus den Kurzlesungen in einer Eimsbütteler Szenebar entstand die Idee zu einer Edition gegen den kleinen Hunger auf Sinn und Sinnlichkeit.

Hamburg. Quadratisch, praktisch, gut. Was für Schokolade gilt, muss für Literatur nicht verkehrt sein. Mit einem entscheidenden Unterschied: Wer eine ganze Tafel Schoki verputzt, ist entweder satt - oder hat wenigstens ein schlechtes Gewissen. Die neuen Literatur-Quickies von Lou A. Probsthayn hingegen, Kurzgeschichten im handlichen CD-Booklet-Format, machen nicht dick, sondern Lust. Auf noch mehr Lektüre.

Bevor der Hamburger Autor und Leseveranstalter auf die Idee verfiel, Erzählungen bekannter Autoren (unter ihnen im ersten Schwung die Bestsellerautorin Juli Zeh) und Hamburger Lokalmatadoren (wie "Macht"-Macher Michael Weins und "Soul Kitchen"-Autorin Jasmin Ramadan) in Pixi-Gedenkgröße zu veröffentlichen, hat er auf der Kurzstrecke schon reichlich Erfahrung gesammelt: Gerade erst ging der 105. Literatur-Quickie in der Eimsbütteler Bar 439 über die Bühne. Gemeinsam mit seinem Hamburger Freund und Kollegen Gunther Gerlach (der auch die Kurzkonzert-Reihe Musik-Quickie auf St. Pauli verantwortet) lädt Probsthayn hier jede Woche einen neuen Autor dazu ein, aus Selbstverfasstem vorzutragen - aber immer nur genau 17 Minuten lang. Praktischer Nebeneffekt: Was so schnell vorbei ist, kann auch nicht langweilig werden.

Wenn es stimmt, dass der moderne Mensch durch die mediale Dauerbefeuerung, durch die Gewöhnung an kurze Clips und schnelle Schnitte eine immer kürzere Aufmerksamkeitsspanne hat, dann sind die Quickies gewissermaßen die evolutionäre Anpassung der Literatur an den Leser.

"Pat und Patachon der Hamburger Literaturszene" nennt Probsthayn sich und Gerlach selbstironisch. Das Verlegen der schmalen "Literatur-Quickies" nimmt der "in Berlin geborene Hamburger" trotzdem ernst. Es freut ihn, dass die Verlagsvertreter das Projekt im eigens dafür gegründeten Kleinverlag so gut aufgenommen haben. "Das soll sich schließlich hoffentlich im ersten Jahr tragen", sagt er, "ich will da ja nicht ewig zuschießen."

Das dürfte auch im Interesse der Autoren sein, die keinen Vorschuss bekommen, sondern anteilig am Verkauf beteiligt sind. Bekannte Namen schreckt das keineswegs ab: Mit Feridun Zaimoglu, Judith Hermann und sogar mit Siegfried Lenz sei er schon im Gespräch, erzählt Probsthayn. Bereits ausgeliefert sind Erzählungen von Monique Schwitter (Schriftstellerin und Ensemblemitglied am Schauspielhaus) und der Hamburger Literaturförderpreisträgerin Katrin Seddig, deren Debütroman demnächst bei Rowohlt erscheint. Im April folgen Tanja Dückers, Sven Amtsberg und Stefan Beuse sowie - Franz Kafka. In jeder Staffel mogelt Probsthayn jeweils einen Klassiker unter die vorwiegend junge Autorenschar.

Ihn selbst, sagt er, sollen dagegen "lieber andere verlegen". Gerade vollendet hat Probsthayn seinen neuen, noch verlagslosen Erzählband "Die Katze in der Tiefkühltruhe", in den 90er-Jahren erschienen seine fiktiven Radio-Reportagen bei Piper. Schon deren Titel bewiesen Probsthayns Sinn für skurrile Komik: "Verschollen im Horster Dreieck" hieß eine, "Sportschau macht Pickel" eine andere.

Studiert hat Lou A. Probsthayn - der lieber nicht in der Zeitung lesen möchte, wofür das "A." steht - Kunstgeschichte und Literaturwissenschaft (beides "erfolgreich abgebrochen"), zum Schreiben ist er über die klassische Werbung gekommen. Dort habe er auch gelernt, sich kurz zu fassen, sagt er. Mit der kurzen Form befindet er sich in guter Gesellschaft: Auch der Hamburger Automatenverlag von Bettina von Bülow hat sich erst kürzlich gegründet und will schmale Bändchen für den kleinen Hunger nach Sinn und Sinnlichkeit in ehemaligen Zigarettenautomaten anbieten. Zum Selberziehen und ganz und gar nikotinfrei.

Vorsichtshalber will man sich trotzdem anfangs in die Nähe der Süchtigen begeben: Der erste Buchautomat ist vor dem Literaturhaus geplant.

Geschichten to go - das passt zum Zeitgeist. Nachhaltig wirken kann solch eine Kurzlektüre ja trotzdem. Als Literatur von selbstbewusstem Format. Quadratisch, praktisch, gut.

Die Literatur-Quickies sind für 3 Euro im gut sortierten Buchhandel oder bei Amazon erhältlich. Der Live-Literatur-Quickie findet immer am Mittwoch um 22.30 Uhr in der Eimsbüttler Bar 439 (Vereinsstraße) statt. Infos im Internet unter www.literatur-quickie.de