Interview mit Hans Heinrich Driftmann über seine Philosophie als Firmenchef, zu komplizierte Steuerregeln und Frauen in Führungsjobs.

Hamburg. Von seinen Mitarbeitern wird Hans Heinrich Driftmann hoch geschätzt. In seinem Elmshorner Familienunternehmen Kölln, das für seine traditionsreichen Haferflocken bekannt ist, gab es seit Jahrzehnten keine Entlassungen. Seit gut einem Jahr ist der 62-Jährige zugleich Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), in dem bundesweit 3,6 Millionen Unternehmen Mitglied sind. Das Abendblatt sprach mit dem Vater von vier Töchtern über seine Unternehmensphilosophie, die Finanzkrise, den Standort Hamburg und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Abendblatt: Gegessen wird eigentlich immer. Hat die Wirtschaftskrise dennoch Spuren in Ihrem Unternehmen hinterlassen?

Hans Heinrich Driftmann: Die Krise ist an niemandem spurlos vorbeigegangen. Kratzer hat es bei jedem gegeben. Allerdings waren wir bereits durch die Rohstoffkrise gezwungen, die vor der Wirtschaftskrise begann, uns neu aufzustellen. Wir haben neue Strategien, Produkte und Vertriebswege entwickelt und waren dadurch gut präpariert.

Waren dazu auch Personaleinschnitte notwendig?

Nein. Wir haben seit Jahrzehnten keine Mitarbeiter entlassen. Weder Weihnachts- noch Urlaubsgeld wurden gekürzt. Jeder Mitarbeiter, der es wünscht, erhält weiterhin für seine Kinder einen Ausbildungsplatz im Betrieb.

Damit zählen sie zu den großen Ausnahmen im Arbeitsleben.

Es ist ein Spezifikum eines mittelständischen, familiengeführten Unternehmens. Ein DAX-Konzern kann das wohl nicht. Ich bin auch ein bisschen stolz darauf.

Verfolgen Sie eine besondere unternehmerische Philosophie?

Bei uns geht es um Nachhaltigkeit. Wir denken nicht in Quartalsbilanzen, sondern in Generationen.

Sie möchten also, dass eine Ihrer Töchter künftig den Betrieb mit Substanz fortführen kann?

Gerne. In unserem Unternehmen wird das verdiente Geld fast ausschließlich reinvestiert. Denn unsere Familie hat nicht den Wunsch, Penthäuser auf Mallorca zu kaufen. Auch jetzt in der Krise bauen wir für Millionen eine neue Produktionslinie für Müsli auf, um die Effizienz zu verbessern und uns gut für die Märkte aufzustellen.

Wenn Sie auf Nachhaltigkeit setzen, geht es Ihnen dann nur um den Erhalt des Status quo?

Nein, wir setzen auf Wachstum, aber immer auf moderates Wachstum. Wir versuchen nicht, das schnelle Geld zu machen.

Sind Sie bisher in eine Kreditklemme gerutscht?

Nein. In Deutschland gibt es auch generell bisher keine flächendeckende Kreditklemme.

Aber viele Unternehmer beschwören immer wieder ihre Geldnot.

Eine ganze Reihe von Unternehmern hat Probleme, weil ihre Bonität gelitten hat. Sie müssen jetzt höhere Zinsen für Kredite bezahlen. Auch ist es für manchen schwieriger geworden, an Kredite heranzukommen, weil der bürokratische Aufwand für Kreditanträge gestiegen ist. Subjektiv wird das für das eigene Unternehmen natürlich als Kreditklemme gewertet. Das bedeutet aber noch keine gesamtwirtschaftliche Kreditklemme.

Wie kann dieses Problem gelöst werden?

Wir haben bei einem vom DIHK initiierten Kreditgipfel bereits ein Umdenken bei den Geldinstituten erreicht. So betrachten die Banken bei ihren Ratings von Firmen jetzt nicht nur das vergangene Jahr, das bei vielen schlechter war, sondern auch deren Zukunftsperspektiven. Allerdings kann ich auch von keinem Banker verlangen, jedem Unternehmen mit geschlossenen Augen Geld zu leihen. Dieser Mann steht sonst irgendwann vorm Staatsanwalt.

Wie sehen Sie die Entwicklung für den Norden?

Hamburg ist auch in Zukunft ein wichtiger positiver Impulsgeber für den Norden. Hamburg ist die Logistikhauptstadt Deutschlands, vielleicht sogar Europas. Nirgendwo gibt es eine solche logistische Symbiose. Hier ist nicht nur der Hafen, sondern ein gut ausgebautes Netz von Straßen und Schienen sowie ein Flughafen. Um die Position zu sichern, ist die weitere Elbvertiefung dringend notwendig. Hamburg braucht wiederum ein industrielles Hinterland. Dafür wäre eine Fusion der Nordländer sinnvoll.

Sie plädieren also für die Zusammenlegung von Bundesländern?

Die Bundesländer sollten in größeren Einheiten neu strukturiert werden. Dies kann nur schrittweise geschehen. Im ersten Schritt könnte die Zahl der Bundesländer von heute 16 auf künftig ein Dutzend reduziert werden. Es sollten Bundesländer zusammengeführt werden, die sich ergänzen. Im Norden könnte man mit Schleswig-Holstein und Hamburg beginnen.

Wie lange wird die Wirtschaftskrise noch andauern?

Den Höhepunkt der Krise haben wir hinter uns. Aber es liegen noch zwei Drittel des Weges vor uns, die wir benötigen, um die Krise endgültig zu bewältigen. Für 2010 sind wir optimistisch und erwarten für Deutschland ein Wachstum von 2,3 Prozent. In drei Jahren können wir wieder das wirtschaftliche Niveau von vor der Krise erreichen. Allerdings wird dies nur unter der Voraussetzung gelingen, dass kein katastrophales Ereignis von außen auf uns einwirkt, wie beispielsweise eine Staatspleite in Europa.

Wie sind Sie mit den Programmen der Bundesregierung im Zuge der Finanzmarktkrise zufrieden?

Die Bundesregierung hat sich erstaunlich gut geschlagen. Nur die Abwrackprämie war ein teures Strohfeuer, das nichts gebracht hat. Viele andere Maßnahmen wirken gut. Kluge Unternehmen haben die Kurzarbeit zur Fort- und Weiterentwicklung genutzt, was ihnen jetzt im Aufschwung nutzt. Insbesondere der Mittelstand, der über 80 Prozent aller Unternehmen ausmacht, hat alles getan, um seine Belegschaften zu halten. Größere Entlassungen gab es eher bei großen Konzernen, die durch ihre Anteilseigner unter Druck stehen.

Sollte die Kurzarbeit verlängert werden?

Die Kurzarbeit sollte auf die beschlossenen 18 Monate begrenzt bleiben. Wenn die Wirtschaft wieder anspringt, müssen die Maßnahmen wieder zurückgefahren werden. Unternehmen gewöhnen sich sonst an solche indirekten Subventionen und entwickeln eine falsche Mentalität.

Was halten Sie von der geplanten Bankenabgabe für einen Rettungsfonds?

Die Abgabe kommt zum falschen Zeitpunkt. Sie schränkt die Kreditvergabe der Banken ein, während gleichzeitig die Unternehmen gerade jetzt mehr Kredite für neue Investitionen brauchen. Zudem reichen die geplanten Milliarden nicht, um eine große Finanzmarktkrise zu bezahlen.

Sind Steuersenkungen, wie sie von der FDP im Wahlkampf versprochen wurden, angesichts der hohen Staatsverschuldung in den nächsten Jahren realistisch?

Unser gesamtes Steuersystem muss auf den Prüfstand gestellt werden. Viele Regeln sind überholt. Wir brauchen ein einfacheres, transparentes Steuersystem, das so gerecht wie irgendwie möglich ist. Dieses muss schrittweise auch zu Steuererleichterungen führen. Vor allem Arbeitnehmer, die das Geld verdienen, sollten entlastet werden. Wir Unternehmen wären bereits heilfroh, wenn es keine Kostenbesteuerung mehr gäbe und die Bürokratiekosten gesenkt würden. Denn das heutige Steuersystem durchschaut doch keiner mehr.

Durch die Überalterung der Bevölkerung droht ein Mangel an Nachwuchskräften. Könnte dies die Existenz von Unternehmen gefährden?

Das Problem ist akut. Schon 2009 konnten nicht mehr alle Ausbildungsplätze besetzt werden. Dies liegt nicht nur an der rückläufigen Zahl Jugendlicher, sondern auch daran, dass nicht alle jungen Menschen ausbildungsreif sind. Zudem studieren immer mehr Schulabgänger. Insbesondere in Ostdeutschland führt die demografische Entwicklung zu dramatischen Engpässen.

Wie kann gegengesteuert werden?

Schon in der Schule müssten die Kinder besser auf die Berufswelt vorbereitet werden. Vielen Lehrern fehlt heute eine ausreichende Kenntnis über die breite Palette der Berufswelt, obwohl gerade sie ihre Schüler hinsichtlich ihrer Neigungen gut beraten könnten. Wirtschaft und Berufsvorbereitung muss in den Lehrplänen stärker verankert werden.

Telekom-Chef René Obermann hat sich vor Kurzem eine Quote für Frauen in Führungsetagen verordnet. Sind aus Ihrer Sicht solche Quoten sinnvoll?

Wenn ich Frau wäre, würde ich mir dies verbitten. Eine Frau ist nie nur eine Quote, sondern ein Gewinn. Wir haben sehr gute Frauen. In meinem Unternehmen gibt es im Angestelltenbereich mehr Frauen als Männer, auch viele Abteilungsleiterinnen.

Aber auch Sie haben keine Frau in der Geschäftsführung.

Stimmt. Wir haben viele exzellent ausgebildete, promovierte Frauen, in die wir viel investieren. Doch bevor sie an die Spitze aufsteigen, entscheiden sich viele schwerpunktmäßig für Familie. Ich kann dies gut verstehen, da ich selbst Vater von vier Töchtern bin. Nach der Geburt wünschen sich, zumindest bei uns im Betrieb, die Frauen keinen so zeitaufwendigen Job mehr. Das ist unser Dilemma.

Was ist notwendig, um Frauen den Aufstieg in höhere Positionen zu ermöglichen?

Wir müssen Frauen stärker in die Personalplanung der Unternehmen einbeziehen und die Rahmenbedingungen zur Vereinbarung von Familie und Beruf verbessern. Neben mehr Kindergärten mit langen Öffnungszeiten brauchen wir flexiblere Arbeitszeiten und Arbeitsorte. So könnten zum Beispiel mehr Heimarbeitsplätze eingerichtet werden. Ich schätze Frauen im Berufsleben sehr. Männer und Frauen sind gleichwertig, aber nicht gleichartig. Gerade wenn es um Nachhaltigkeit geht, sind uns Frauen oft hoch überlegen, während wir Männer schnell Adrenalin freisetzen. Diese Stärken der Geschlechter sollten wir nutzen.