In 24.000 Fällen werden Fehler festgestellt - und das in jedem Jahr. Die Kassen fordern das Geld von den Kliniken zurück.

Hamburg. Auf der einen Seite erheben sie von ihren Versicherten Zusatzbeiträge, auf der anderen Seite werden sie von den Krankenhäusern mit fehlerhaften Abrechnungen belastet. Es geht um viel Geld - bundesweit um eine Milliarde Euro. "In Hamburg haben sich die Krankenkassen im vergangenen Jahr 30 Millionen Euro von den Krankenhäusern zurückgeholt", schätzt Günther Ploß, Geschäftsführer des Verbandes der Ersatzkassen vdek. In dieser Größenordnung bewegen sich die Summen nach seinen Angaben jedes Jahr. Zum Vergleich: Das Gesamtvolumen, das die Kassen an die Krankenhäuser zahlen, beträgt in Hamburg 1,4 Milliarden Euro.

Insgesamt rechnen die Krankenkassen mit den Krankenhäusern der Hansestadt jährlich 420.000 Fälle ab. Zehn Prozent davon werden beim Überprüfen als möglicherweise fehlerhaft erkannt und an den MDK, den Medizinischen Dienst der Krankenkassen, zur Prüfung weitergegeben. "Davon werden 60 Prozent als nachweislich fehlerhaft erkannt", sagt Ploß, "das entspricht etwa 24.000 Fällen." Weil im Durchschnitt jede der Rechnungen mehr als 1000 Euro zu hoch ausfällt, ergeben sich daraus Mehrkosten von 30 Millionen Euro.

Allein die AOK Rheinland/Hamburg, von deren Versicherten zehn Prozent aus der Hansestadt kommen, hat im vergangenen Jahr 4,5 Millionen Euro von den Hamburger Krankenhäusern zurückgefordert. Bei der Techniker Krankenkasse (TK) waren es 3,9 Millionen Euro - immerhin 2,1 Prozent von 185 Millionen Euro Krankenhauskosten insgesamt. Die DAK möchte keine Hamburger Zahlen nennen, hat bundesweit 2009 aber knapp 100 Millionen Euro zurückgefordert. Auch die Barmer Ersatzkasse macht keine konkreten Angaben: Sie hat von insgesamt 44.000 Hamburger Fällen zwölf Prozent dem MDK zur Prüfung vorgelegt, davon waren 65 Prozent fehlerhaft - ein Schaden von mehreren Millionen Euro. Diese Summen wollen sich die Kassen natürlich nicht entgehen lassen. Dementsprechend gereizt reagieren sie auf die Forderung von Gesundheitsminister Philipp Rösler, die Krankenkassen sollten aus Kostengründen die Prüfungen reduzieren. "Die Rechnungsprüfung ist gesetzlich vorgegeben", hält Kerstin Auerbach von der Krankenhaus-Prüfabteilung bei der Barmer Ersatzkasse, dagegen. Außerdem sei eine Überprüfung im Sinne der Versicherten. "Hätten wir die Millionen Euro, die uns unberechtigt in Rechnung gestellt worden sind, gezahlt, wäre ein Defizit entstanden, das wir durch höhere Beiträge hätten ausgleichen müssen."

"Kontrollen in angemessenem Umfang sind sinnvoll und absolut notwendig", sagt auch ein Sprecher der AOK Rheinland/Hamburg. "Wir überprüfen sowieso nur Rechnungen, die auffallen - und das sind sieben bis acht Prozent." Von vorsätzlichem Betrug der Krankenhäuser möchte er nicht sprechen: Das Abrechnungssystem sei so komplex, dass Fehler schnell passieren können - würden beispielsweise bei einer Operation nur einige Beatmungsstunden zu viel abgerechnet, kämen schnell ein paar Tausend Euro zusammen.

Ganz so schuldlos sieht vdek-Geschäftsführer Ploß die Krankenhäuser nicht. "Es gibt Spielräume, und die Krankenhäuser versuchen, sie in ihrem Sinne auszulegen", sagt er. Bei der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft wehrt man sich. "Es war bei der Auswertung in den Daten der Hamburger Krankenhäuser nicht zu erkennen, dass dort falsche oder zu hohe Angaben gemacht wurden", sagt Geschäftsführerin Claudia Spenk. Die Rechnungsprüfungen durch den MDK seien für die Krankenhäuser eine Qual. "Statt am Patienten zu arbeiten, müssen die Ärzte einen gigantischen bürokratischen Nachgang erdulden."

Kerstin Hagemann von der Patienten-Initiative Hamburg hält dagegen: "Eine Rechnungsüberprüfung ist nicht nur im Sinne der Krankenkassen, sondern auch der Versicherten. Wir müssen doch Vertrauen haben, dass mit unseren Beitragszahlungen sorgfältig umgegangen wird." Ihrer Meinung nach helfe nur die Einführung eines transparenten Abrechnungssystems, das Krankenkassen, Ärzte und Patienten gleichermaßen nachvollziehen können.

Nicht nur die drohende Reduzierung der Rechnungsprüfungen löst heftige Kritik bei den Krankenkassen aus. Sie wehren sich auch gegen die Aufwandsentschädigung von 300 Euro, die sie den Krankenhäusern bei unberechtigten Prüfungen zahlen müssen. Der Gesetzgeber will damit Bagatellbeanstandungen um kleine Summen verhindern und die Krankenkassen zur gründlichen Prüfung anhalten. Ihrer Meinung nach ist das ungerecht. "Auch für uns bedeutet eine Überprüfung der Rechnungen immensen Aufwand", heißt es vom vdek. "Wir fordern daher, dass wir von den Krankenhäusern eine Entschädigung bekommen, wenn die Prüfung berechtigt war."