Trotz Wirtschaftskrise setzen Investoren auf das Drehkreuz Hamburg. Immer mehr Lager werden im Norden errichtet - ein Report.

Lager", sagt der Pirmasenser Unternehmer Bernd Hummel, "habe ich persönlich früher nie gemocht. Für mich waren sie ein notwendiges Übel." Diese Einstellung habe sich bei seinen letzten Besuchen in Norddeutschland gründlich geändert, berichtet Hummel seinen rund 100 Zuhörern bei der Einweihung einer nagelneuen Lagerhalle in Mienenbüttel südwestlich von Hamburg: "Das hier ist kein Lager, sondern ein Logistikzentrum mit beeindruckender Leistungsfähigkeit. Hier werde ich künftig öfter vorbeischauen." Allein für den Import seiner Marke Kangaroos würden jährlich rund 3,5 Millionen Stücke - Schuhe und Textilien - in der Halle umgeschlagen.

Der französische Logistikkonzern Geodis, eine Tochter des staatlichen Bahnunternehmens SNFC, eröffnet an diesem Tag seine neue Anlage direkt an der Ausfahrt Rade der Autobahn 1 in Richtung Bremen. Über dieses Lager importiert Hummel die Schuhe und Modeartikel der Marken Kangaroos und Flip-Flop, die von hier aus in ganz Europa vertrieben werden. Das neue Logistikzentrum von Geodis ist die erste Halle im LogPark Hamburg in der Gemeinde Neu Wulmstorf. Auf einer Fläche von 800 Hektar soll hier der größte zusammenhängende Logistikpark Deutschlands entstehen.

Seit langer Zeit ist das Projekt geplant und ebenso lange umstritten. Eine örtliche Bürgerinitiative macht gegen den LogPark Front, obwohl das Areal seit Ende der 90er-Jahre als Gewerbefläche ausgewiesen ist. Allerdings erwies sich nicht nur die Bürgerinitiative als Hindernis für das Vorhaben, sondern vor allem die schwerste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. "Wir haben Glück, dass die Investoren dieses Projekt trotzdem realisieren", sagt Jan Lüdemann, der stellvertretende Bürgermeister der Gemeinde Neu Wulmstorf. Bis zu 1600 Menschen sollen dort einmal Arbeit finden. Bei Geodis sind es zunächst 50, die von einem älteren Standort hierherwechselten.

Der LogPark ist nicht das einzige Großprojekt, das die Logistikbranche rund um den Hamburger Hafen in den vergangenen Monaten fertiggestellt hat. "Im zurückliegenden Jahr ist in der Region deutlich mehr neue Lagerfläche eröffnet worden als im langjährigen Durchschnitt", sagt Professor Peer Witten, der frühere Logistikchef des Versandhandelskonzerns Otto Group und heutige Sprecher der Logistik-Initiative Hamburg. "Damit sind wir für das weitere Wachstum des Welthandels sehr gut aufgestellt." Bereits in diesem Jahr werde die Logistikbranche in Deutschland wieder mit drei bis fünf Prozent wachsen, so Witten.

Die Situation im Hamburger Hafen macht solche Prognosen nicht unbedingt glaubwürdiger. In der vergangenen Woche legte Hamburg Hafen Marketing desaströse Zahlen für 2009 vor. Der Gesamtumschlag ist gegenüber 2008 um 21 Prozent gesunken, die Zahl der Containerbewegungen ging um 28 Prozent auf sieben Millionen zurück. Ein solches Minus hat es in Hamburg seit der Einführung des Containers Ende der 60er-Jahre nicht gegeben.

Die Logistiker verbreiten dennoch Zuversicht. "Die Branche hat im zurückliegenden Jahr deutlich stärker verloren als die Volkswirtschaft insgesamt", sagt Peer Witten, "dafür geht es aber, sobald der Welthandel anzieht, auch schneller wieder bergauf."

Die Investoren Stephanie Habacker-Arndt und ihr Mann Michael Habacker aus Düsseldorf jedenfalls wollen sich ihr Projekt nicht schlechtreden lassen. Nach einem intensiven Auswahlprozess hatten sie den Zuschlag erhalten und Ende 2007 den Kaufvertrag mit der Gemeinde Neu Wulmstorf unterschrieben. Nun wollen sie die Fläche Zug um Zug bebauen und die Hallen vermieten. Die Höhe der Gesamtinvestition gibt die Habacker Holding mit 250 Millionen Euro an.

"Wir sprechen derzeit mit mehreren möglichen Mietern. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Krise abebbt", sagt Stephanie Habacker-Arndt beim Rundgang durch die Geodis-Halle. Im April soll die zweite Halle nebenan fertiggestellt werden. Das Branchengerücht, der Textilkonzern C & A wolle die Anlage mieten, bestätigt Habacker-Arndt nicht, wohl aber reges Interesse beim Unternehmen: "Das ist derzeit wesentlich ausgeprägter als noch vor einem Jahr."

Auch Andrea Rudy, die Deutschland-Chefin des französischen Unternehmens Geodis, lässt an dem Projekt keinen Zweifel aufkommen. "Unsere Planungen für die Halle sind durch die Wirtschaftskrise nicht beeinflusst worden", sagt sie. "Wir wollen an jedem wichtigen Hafen der Welt präsent sein. Für den Hamburger Hafen wird es wieder aufwärts gehen - die Warenströme müssen ja nach Europa hinein."

Ein verstärkter Zubau von Lagern und Umschlagkapazitäten mitten in einer Wirtschaftskrise müsste nach wirtschaftlicher Logik auf die Preise drücken. Zwar gibt es Hinweise darauf, dass die Mieten für einfache Lagerflächen in den vergangenen Monaten gefallen sind. Bedrohliche Überkapazitäten oder einen generellen Preisrutsch sieht man beim Hamburger Maklerunternehmen Engel & Völkers allerdings nicht: "Wir werden in der Region langfristig - über die kommenden acht bis zehn Jahre - einen weiterhin hohen Bedarf an Lagerflächen haben", sagt Erik Peuschel, Experte für Logistikimmobilien. "Spekulativ geplante Neubauten sind derzeit am Markt nicht zu sehen. Bei den spezialisierten Logistikprojekten gibt es praktisch keine Überkapazitäten."

Das neue, 55 Millionen Euro teure Logistikzentrum, das der international operierende Transportkonzern Kühne + Nagel im November in Obergeorgswerder am Autobahnkreuz Hamburg Süd eröffnet hat, ist so ein Projekt. Die Halle sei "eine der größten Immobilien", die der Konzern weltweit in seinem Eigentum betreibe, sagte Konzerninhaber Klaus-Michael Kühne seinerzeit.

Aber auch die regionale Hamburger Logistikwirtschaft mischt im Neubaugeschäft kräftig mit. Für 25 Millionen Euro baute das Harburger Unternehmen Süderelbe Logistik eine neue Halle in Harburg-Hausbruch und nimmt sie seit April 2009 schrittweise in Betrieb. Hochsensible Güter wie Schmierstoffe, aber auch Kakao werden dort gelagert. "Wir verfügen über spezielle Hallen und die entsprechenden Ausrüstungen - so eine Anlage kann man nicht ohne Weiteres mieten", sagt Geschäftsführer Oliver Lehmann. "Wir wollen nicht austauschbar sein." 24 000 Quadratmeter misst die Halle in Harburg-Hausbruch, doppelt so viel wie die neue Immobilie von Geodis im LogPark bei Mienenbüttel.

Süderelbe ist eines jener Logistikunternehmen, die in der industriellen Wertschöpfungskette immer weiter in das eigentliche Geschäft der Hersteller vordringen. Die Dienstleistungen des Unternehmens an seinen verschiedenen Standorten in Harburg werden immer komplexer. Aus Platzgründen zum Beispiel lagern Industriefirmen tonnenschwere Presswerkzeuge, die sie nicht permanent brauchen, zwischenzeitlich aus ihrer Fabrikhalle aus. Süderelbe Logistik lagert sie bei sich ein und stellt sie zeitgenau zur Produktion wieder zur Verfügung. Auch die Vorbereitung von Waren für den Transport oder die teilweise Montage von Konsum- oder Industriegütern gehören zum Angebot des Unternehmens.

"Unsere Leute sind so spezialisiert, dass sie technologisch anspruchsvolle Produkte auch bedienen können", sagt Lehmann. Dieses Geschäft werde rund um den Hamburger Hafen genauso wachsen wie das klassische Lagergeschäft, daran hegt er keinen Zweifel. Gut sei das letztlich auch für den Hamburger Arbeitsmarkt: "Wir werden weiterhin Mitarbeiter einstellen."