Neben Hamburg würde auch die SPD im Bundestag eine Verfassungsänderung begrüßen. Richter entscheiden am Dienstag.

Hamburg. Die Übertragungswagen mit den Satellitenschüsseln stehen bereits im Schneematsch. Die Sondersendung der ARD für den kommenden Dienstagmorgen steht fest. Beginn: 9.55 Uhr. Kein Unglück bahnt sich an, die Fußballweltmeisterschaft ist weit entfernt, auch Stars oder Prominente spielen keine Rolle. "Bundesverfassungsgericht live: Hartz IV - das Urteil" heißt die Sendung.

Dass Deutschlands höchste Richter die derzeitigen Sätze für Kinder aus den Familien von Langzeitarbeitslosen kritisieren, wenn nicht kippen werden, scheint programmiert. Es geht um die Menschenwürde, hat Bundesverfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier in der mündlichen Verhandlung gesagt. Deshalb das ganz große Besteck. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wird in Karlsruhe sein, um das erwartete politische Erdbeben einzuordnen. Gewerkschaften, Verbände und Initiativen schicken ihre Top-Leute.

Was ein Kind zum Leben braucht, ist nur eine Gretchenfrage, die das Bundesverfassungsgericht in Sachen Sozialgesetzbuch wegweisend beurteilt. Um die Folgen eines anderen Richterspruchs einzufangen, trifft sich von der Leyen an diesem Sonntag mit den Ministerpräsidenten. Die Betreuung der Langzeitarbeitslosen in den Jobcentern verstößt gegen das Grundgesetz. Nach dem Urteil von 2007 muss die Politik noch in diesem Jahr festlegen, wie Bundesagentur und Kommunen zusammenarbeiten sollen. Der Bürger soll wissen, von welcher Behörde er welche Leistungen erhält.

Von der Leyens bisherige Kompromissvorschläge finden nicht einmal in der eigenen Partei Anklang. Man könnte auch das Grundgesetz ändern. Fast alle Bundesländer würden das mittragen. Doch das Projekt scheiterte bereits in der Großen Koalition.

Hamburg ist bei der Neuordnung der Jobcenter für eine Änderung des Grundgesetzes. Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU) strebt an, die Hansestadt zur 70. Optionskommune zu machen, die die Betreuung der Langzeitarbeitslosen allein übernimmt und alle Leistungen in Eigenregie anbietet. Die 1222 Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit, die bislang mit 706 Beschäftigten der Stadt in der Arbeitsgemeinschaft zusammenarbeiten, würde sie übernehmen. Besonders wichtig ist Gedaschko dabei, den Kunden einen "Service aus einer Hand" anbieten zu können. Außerdem könnten die Fachkräfte vor Ort besser auf die spezifischen Anforderungen einer Großstadt wie Hamburg eingehen.

Auch die SPD im Bundestag würde das Grundgesetz ändern. Das geht aus einem Brief hervor, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer ist gegen eine Grundgesetzänderung, sein saarländischer Kollege Peter Müller wie Hessens Roland Koch (alle CDU) dafür. Müller sagte der "Frankfurter Rundschau": Die Jobcenter hätten sich bewährt. Es sei absurd, diese Arbeitsgemeinschaften (Argen) wieder aufzulösen, obwohl alle Parteien grundsätzlich für deren Beibehaltung seien.

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagte allerdings: "Die Verfassung darf nicht zum Spielball machtpolitischer Interessen von Ländern und Kommunen werden." Es sollten endlich die sozialen Probleme der Hartz-IV-Empfänger in den Mittelpunkt gerückt werden. Selbst die "regierungsamtliche Evaluation" habe ergeben, dass die kommunale Alleinzuständigkeit den Arbeitslosen keine neuen Jobs oder andere neue Perspektiven bringe.