Zu der größten Giftschlange der Welt gibt es viel Spannendes zu sagen. Sie wird fast sechs Meter lang und ihr Gift führt zur Atemlähmung.

Hamburg. Wo fängt bei einer Schlange eigentlich der Schwanz an? Gleich hinter dem Kopf? Wenn ich darüber nachdenke, habe ich meiner Mutter diese auf der Hand liegende Frage als Kind komischerweise nie gestellt. Sicherlich sehr zu ihrer Erleichterung, denn auch wenn sie einmal todesmutig bei einer Wildtier-Präsentation eine Boa gestreichelt hat, damit sich ihre damals noch recht kleine Tochter keine Phobie abguckt, hat sich meine Mutter doch bis heute eine gute Portion Abneigung allen Reptilien gegenüber beibehalten. Somit geht sie auch an Shiva, der Königskobra im Schlangendorf von Hagenbecks Tropen-Aquarium immer eiligen Schrittes vorbei.

Was definitiv ein Fehler ist: Gibt es zu der größten Giftschlange der Welt doch viel Spannendes zu sagen. "Wussten Sie zum Beispiel, dass Königkobras fast ausschließlich andere Schlangen fressen?", fragt Dr. Guido Westhoff (40), Leiter des Tropen-Aquariums. Der Gattungsname Ophiophagus (griechisch für schlangenfressend) deutet bereits darauf hin. Und so ist auch klar, warum Shiva sein Gehege nicht mit anderen Schlangen teilt.

Bereits als erwachsenes Tier kam das heute 14 Jahre alte Männchen, das in den USA nachgezogen worden war, über einen Zoo in Schweden 2007 nach Hamburg. Westhoff: "Das hatte den großen Vorteil, dass Shiva bereits daran gewöhnt worden war, Ratten zu fressen." Auf etwa vier Meter Länge schätzt er das Reptil, das gerne in dekorativen Windungen auf der Rikscha in seinem Gehege Siesta hält. Das Vehikel ist eine Anspielung auf die asiatische Heimat der Königskobra - und wurde von den Pflegern mit einem kleinen Trick zum garantierten Lieblingsplatz der Schlange umfunktioniert: "In der Sitzbank ist eine Heizung versteckt", verrät Westhoff.

Mit dokumentierten 5,59 Metern Körperlänge kommt keine andere Giftschlange an die Königskobra heran. Doch nicht allein das macht sie so gefährlich, wie Guido Westhoff sagt: "Königskobras sind die einzigen Schlangen, die sich aufgerichtet fortbewegen können." Bei jedem Biss, so der Biologe, injiziert die Schlange ein Vielfaches der tödlichen Dosis ihres Nervengiftes, das, wird der Gebissene nicht umgehend behandelt, zur Atemlähmung führt.

Allerdings gelten die überwiegend waldbewohnenden Königskobras im Freiland als wenig aggressiv - eine Beobachtung, die Westhoff bei Shiva nicht teilen kann: "Wenn wir zum Füttern oder Saubermachen ins Gehege kommen, stürmt er manchmal regelrecht auf uns zu, lässt ein tiefes Fauchen hören und beißt in den Schlangenhaken. Daran sieht man dann das Gift herunterlaufen." Zu den Sicherheitsvorkehrungen der Pfleger gehört deshalb im Umgang mit den Giftschlangen (neben Shiva noch Grüne Mambas, Gabun-Vipern und verschiedene Klapperschlangen-Arten) unter anderem auch immer die Anwesenheit einer zweiten Person.

Die Anwesenheit einer zweiten der hellbraunen, olivbraunen und sogar bis schwarzen Schlangen fände Westhoff mindestens genauso erstrebenswert: "Ich würde schon gerne zusätzlich ein Weibchen halten, denn Königskobras sind die einzigen Schlangen, die ein Nest bauen und aktiv Brutpflege betreiben." 20 bis 40 Eier legen Weibchen. Jungtiere schlüpfen mit einem halben Meter Länge. Und wie war das jetzt mit dem Schwanz? "Ganz einfach", erklärt Westhoff. "Alles, was bei einer Schlange hinter dem After kommt, ist Schwanz. Das kann man auch an einer veränderten Beschuppung erkennen."

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