Im Fall der mutmaßlichen Vergewaltigung könnte der Verdächtige aber freikommen, weil der Alkoholwert nicht ermittelt wurde.

Hamburg. Einen Tag, nachdem sich der polizeibekannte Schläger Ali K. (22) an einem 17 Jahre alten Mädchen vergangen haben soll, ist Haftbefehl gegen ihn ergangen. Als Gründe gab der Richter unter anderem Verdunkelungsgefahr an, da Ali K. sein Opfer bedroht haben soll, für den Fall, dass sie zur Polizei gehe. Außerdem bestehe Wiederholungsgefahr, da der 22-Jährige schon in der Vergangenheit unter Alkoholeinfluss immer wieder Frauen angegriffen habe.

"Wir ermitteln im aktuellen Fall wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung und der Körperverletzung", sagte Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers dem Abendblatt. Wie berichtet, hatte der 22-Jährige im betrunkenen Zustand das Opfer auf ein Bett gezerrt und sich an ihm vergangen. Nachbarn hatten die Schreie gehört und die Polizei gerufen. Die Beamten nahmen ihn fest. Es dauerte anschließend fast einen halben Tag, bis ein Richter darüber entschied, ob dem mutmaßlichen Täter Blut abgenommen werden dürfe, um Alkoholgehalt zu bestimmen.

Diesen Fall nahmen Ermittler zum Anlass, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu kritisieren. Danach darf nur ein Richter entscheiden, ob die Blutprobe angeordnet wird. Bei Ali K. entschied sich der Richter dagegen, da ihm lediglich eine Tatschilderung eines Polizisten vorgelegen habe, Beweise aber nicht. Laut Gerichtssprecher Conrad Müller-Horn ist eine Blutentnahme dagegen auch ohne richterlichen Beschluss möglich. Und zwar dann, wenn der Beweis zu verschwinden droht - also etwa durch den Abbau des Blutalkoholgehalts. Wenn es also zu lange dauert, bis der Beschluss vorliegt, können Polizei und Staatsanwaltschaft wegen "Gefahr im Verzug" selbst handeln. Müller-Horn: "Es besteht in Hamburg kein Grund, von einer Blutentnahme aufgrund vermeintlich fehlender Erreichbarkeit eines Richters abzusehen." Eine zeitnahe Untersuchung auf den Alkoholwert sei allerdings nötig, bestätigt Alexander Müller vom Institut für Rechtsmedizin am UKE. "Je später die Untersuchung, desto unschärfer das Ergebnis."

Dass es bei Ali K. zu keiner Blutentnahme kam, kann Konsequenzen auf einen möglichen Schuldspruch haben. Im Extremfall könnte das Gericht zu seinen Gunsten annehmen, dass er schuldunfähig war. Mögliche Folge: ein Freispruch. Die Ermittlung der Blutalkoholwerte und deren Interpretation durch den Gutachter spielen eine wichtige Rolle für die Urteilsfindung. "Steht das Beweismittel nicht mehr zur Verfügung, könnten Verteidiger dies dankbar als Steilvorlage aufnehmen. So könnte im Einzelfall eine behauptete verminderte Schuldfähigkeit möglicherweise nicht widerlegt werden", sagt Strafverteidiger Rolf Huschbeck. Ohne die Auswertung der Blutalkoholwerte müsste sich das Gericht allein auf die Aussagen der Zeugen und der Angeklagten stützen. Selbst wenn es nur eine verminderte Schuldfähigkeit annimmt, verschiebt das in der Regel den Strafrahmen zugunsten des Angeklagten erheblich.