Gierige Banker, gierige Anleger, gierige Reeder, gierige Politiker: Stefan Aust las der Hamburger Gesellschaft die Leviten - und das sehr unterhaltsam.

Hamburg. Es gibt Höflichkeitsapplaus. Es gibt ehrlichen Applaus. Und es gibt begeisterten. Letzteren bekam Stefan Aust. Für seine ebenso witzige wie ätzend satirische Rede beim Neujahrsempfang im Louis C. Jacob. Obwohl einigen der Zuhörer hie und da das Lachen wohl im Halse stecken blieb. Denn Aust hielt der Hamburger Gesellschaft den Spiegel vor - allerdings nicht den, der montags erscheint ...

Das Abendblatt druckt Auszüge aus der Aust-Rede.

Über Reeder:

"Das Bauherren-Modell zur See brachte die Hamburger Reeder global ganz weit nach vorn, bis es dann durch das Modell Tonnagesteuer - also Flat Tax (übersetzt: ganz flache Steuer, also im Nano-Bereich) ersetzt wurde. Das schlägt gerade zurück. Die hier versammelten Anleger werden wissen, wovon die Rede ist.

Wie sagte doch mein Freund, der Helgoländer Pirat, so richtig? Gier frisst Hirn. Um dann bei Hyundai Heavy Industries ein weiteres Dutzend 8000 TEU-Containerschiffe zu bestellen. Aber was sollten die armen Jungs auch anderes machen? Die HSH-Banker kippten ihnen das Geld mit der Schubkarre vor die Tür. Und die? Was hätten die anderes tun sollen, als sich das Geld - man war ja Triple A - billig zu leihen und teurer zu verleihen. Schließlich wollten ja die Politiker, die im Aufsichtsrat saßen, Rendite sehen. Und die brauchten das Geld schließlich für ihre Sozial- und Investitionsprogramme. So schließt sich der Kreis: in sich logisch wie jedes Wahnsystem. Es sind immer neue Varianten des berühmten Schneeballsystems."

Über Schneebälle:

"Hier in Altona hat man seine besonderen Erfahrungen damit. Erinnern Sie sich an den Geldzauberer mit dem bezeichnenden Namen Wirrwa? Er tauchte1963 auf und versprach den Menschen, die vorher bei ihm einzahlten, eine gewaltige Rendite. 780 Mark sollten Anleger pro Jahr bei ihm ansparen, dann würden sie dafür einen Volkswagen im damaligen Wert von 5200 Mark bekommen. Das waren immerhin gerade 15 Prozent Eigenkapital beim Autokauf. 85 Prozent am neuen Wagen würde der "Messias von Altona", wie Wirrwa auch genannt wurde, dazutun. Jeden Freitag hielt Wirrwa Hof und reichte Geldbündel über den Tisch. Die Menschen beeilten sich, ihre Ersparnisse bei ihm abzuliefern.

Auch dieses Schneeball- oder Pyramidenspiel brach logischerweise nach kurzer Zeit zusammen. Wirrwa wurde inhaftiert und später für unzurechnungsfähig erklärt - was wohl in Wahrheit weniger auf ihn zutraf als auf seine betrogenen Kunden. Sie hatten nicht gemerkt, dass die Einzahlungen gebündelt wieder ausgezahlt wurden - an die ersten Anleger. Die übrigen verloren alles.

Das System war exakt dasselbe, das der König der New Yorker Anleger, Bernard Madoff, ehemaliger Chef der Nasdac-Börse, nutzte. Allerdings im Milliardenmaßstab. Insgesamt soll es sich bei seinen Kunden um etwa 5000 gehandelt haben - das macht bei 50 Milliarden Gesamtverlust für jeden betrogenen Anleger rund zehn Millionen Dollar. Im Schnitt. Aber es traf ja nicht die Armen. Wenn sie sich in Altona ausgekannt hätten, wäre ihnen das nicht passiert."

Über die Finanzkrise:

"Nun wollen wir hoffen, dass es der HSH Nordbank nicht so geht wie der "Titanic". Nein, nein. Keine Angst. Eine globale Finanzkrise ist kein Eisberg. Die Verantwortlichen schwimmen nicht unter Wasser, sondern sind schon wieder obenauf. Die Rechnung bekommt der Steuerzahler. Die meisten haften ja nicht selber. Die Banker nicht. Die sind ja angestellt und werden im kurzfristig berechneten Erfolgsfall bezahlt. Wenn's schiefgeht, gibt es eine Abfindung. Die Manager? Im Zweifel abgefunden. Die Unternehmer? Zumeist beschränkte Haftung. Mit dem Privatvermögen haften? Das wäre ja noch schöner. Wir sind hier doch nicht im Kapitalismus - oder was? Und die Politiker? Die schalten auf sozialdemokratisch um und verdammen das, was sie vorher gepredigt haben. Das ist Demokratie."

Über Katastrophen:

"Das furchtbare Waldsterben etwa, das drohte, unser Land zu einer wahren Wüstenei zu machen. Wurde nichts draus. Heute muss der Elbanwohner wieder heimlich Bäume abholzen, um ungehindert aufs Wasser zu blicken. Die Bäume im Jenischpark, die schon in den 70er-Jahren vom sauren Regen entlaubt und abgetötet sein sollten, stehen immer noch den Joggern im Weg. Die Ölkrise - wäre sie bloß gekommen, dann wäre heute nicht so viel CO2 in der Atmosphäre."

Über Schwarz-Grün:

"Vielleicht könnte man noch ein neues schwarz-grünes Paket schnüren. Etwa Ikea in Altona als Austausch für die Abschaffung des Volksbegehrens gegen die Schulreform abzulehnen, Möbel Höffner gegen eine Erhöhung von Hartz IV einzutauschen, den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan an die Finanzierung der Elbphilharmonie zu koppeln, das Zufrieren der Alster durch eine Strafe für Geländewagenfahrer in der City zu erreichen, das Gängeviertel den Bewohnern der Roten Flora als Austausch anzubieten, die Abwrackprämie durch eine Abfackelungsprämie an die autonome Linke zu ersetzen, die Harley Days nicht abzuschaffen, dafür aber das Anlaufen großer Schiffe in den Hafen grundsätzlich davon abhängig zu machen, ob sie mit Photovoltaik oder Windmühlen angetrieben werden. Sie sehen, die Möglichkeiten zur politischen Gestaltung sind noch längst nicht ausgeschöpft. Es gibt viel Spielraum für die Selbstverwirklichung von Politikern. Die nächsten Koalitionen oder Katastrophen kommen bestimmt. Freuen Sie sich darauf."