Der Krebsspezialist hatte die Personalnot angeprangert. Dann verlor er sein Büro, Mitarbeiter und Kompetenzen. Nun geht er vor Gericht.

Hamburg. Wenn ein renommierter Chefarzt die eigene Klinik vor den Kadi zerrt und verklagt, ist er mit seinem Latein am Ende. Und Prof. Dr. Rudolf Ott, ein erfolgreicher Chirurg und Krebsexperte am Hamburger Albertinen-Krankenhaus, weiß tatsächlich nicht so recht weiter. Kurz vor Weihnachten teilte ihm das christliche Haus mit, dass er vom 4. Januar an deutlich weniger Kompetenzen und weniger Mitarbeiter hat. Sein Büro wurde bereits in einen entlegenen Gebäudeteil verlegt. Kaum zugänglich für Behinderte und schwer Krebskranke, die Ott behandelt.

Es war der Tiefpunkt der Beziehung zwischen dem Top-Chirurgen und dem Albertinen.

Deshalb klagt er jetzt, dass man ihm seine Arbeitsgebiete zurückgibt. Vor dem Arbeitsgericht sagte jetzt die Richterin Benita von Beyme: "Ich habe den Eindruck, dass hier jemand herausgeekelt werden soll."

Ott hatte mehrfach darauf hingewiesen, dass das Krankenhaus offene Stellen schneller besetzen muss. Ärzte und Pflegekräfte waren durch Personalnot überlastet. Ein Mitarbeiter Otts brach zusammen. Noch im Juli vergangenen Jahres hatte sich das Albertinen in einer Pressemitteilung mit Prof. Ott und seinen Verdiensten um schwer kranke Patienten geschmückt. Die Deutsche Krebsgesellschaft hatte das Darmzentrum mit ihrem Qualitätssiegel versehen. Die Patienten zeigten sich bei Befragungen äußerst zufrieden. Die Behandlungsergebnisse seien sehr gut, die Sterblichkeitsrate niedrig. Dabei sind die Fallzahlen sogar gestiegen. Das heißt: Ott verantwortete gute Arbeit und schaffte mit wenigen Mitarbeitern mehr.

Als es erste Gerüchte gab, die Klinik wolle ihn loswerden, schrieben Mitarbeiter an die Geschäftsführung. Tenor: Ott muss bleiben. Was genau das Albertinen Ott vorwirft, bleibt nebulös. Seine Klinik wurde geteilt, ein neuer Chefarzt bereits eingestellt. "Das ist aber ein Risiko", sagte die Richterin von Beyme. Heißt: Wenn Ott den Prozess gewinnt, kommen auf das Albertinen hohe Zahlungen zu. Ott hat jetzt neue Operationszeiten vorgesetzt bekommen: freitags zwischen 16 und 20 Uhr. Dann hat meist schon die Notfallbesetzung die Klinik übernommen.

Der Marburger Bund beklagt seit Langem die Überlastung der Klinikärzte: "Es gibt nach Zahlen der Deutschen Krankenhausgesellschaft 5000 unbesetzte Stellen in den Kliniken. Das hat zur Folge, dass es in den Krankenhäusern viele Fälle von Burn-out unter den Ärzten und eine hohe Fluktuation gibt", sagte Sprecher Hans-Jörg Freese.

Die Kliniken gäben den ökonomischen Druck, unter dem sie stehen, an die Ärzte weiter. "Die Ärzte sind aber vor allem für die Gesundheit der Patienten verantwortlich." Medizinisch sei Professor Ott nichts vorzuwerfen, hieß es beim ersten Gütetermin vor dem Arbeitsgericht. Warum man einem hoch bezahlten Krebsspezialisten sein Arbeitsgebiet wegnimmt, wusste beim Albertinen aber auch niemand niemand so recht zu sagen.

Fabian Peterson, Sprecher des Albertinen-Diakoniewerks, sagte dem Abendblatt: "Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir uns aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht zu dem Fall äußern können. Ungeachtet der aktuellen gerichtlichen Auseinandersetzung streben wir eine für beide Seiten tragfähige Lösung an." Am kommenden Montag wird wieder vor Gericht gestritten.