Vor allem Branchengrößen wie Allianz und Generali sind betroffen - sie leiden unter niedrigen Zinsen und hoher Risikovorsorge.

Hamburg. Die Finanzkrise zeigt erste deutliche Spuren bei den Lebensversicherern. Für die Kunden sinken 2010 die Renditen, wenn sie eine Kapitallebensversicherung, eine Private Rentenversicherung oder auch einen Riester-Vertrag abgeschlossen haben. Denn rund ein Drittel der Assekuranzen senkt die Überschussbeteiligung, die jährlich neu festgelegt wird. Sie gibt an, wie das Sparkapital der Kunden 2010 verzinst wird. Die Absenkungen erreichen bis zu 0,35 Prozentpunkte.

13 von 40 Unternehmen sahen sich zu einem solchen Schritt veranlasst. Das geht aus einer Umfrage des Abendblatts unter den 40 größten Lebensversicherern hervor, die rund 90 Prozent des Marktes repräsentieren. Im Schnitt erreichen die Versicherer eine Überschussbeteiligung von 4,24 Prozent nach 4,28 Prozent für das Vorjahr.

Das hört sich angesichts niedriger Zinsen und einer unsicheren Entwicklung am Aktienmarkt noch gut an. Doch die tatsächliche Rendite auf die Einzahlungen der Kunden fällt niedriger aus, da nur der sogenannte Sparanteil des Beitrages verzinst wird. Denn vom Beitrag des Kunden werden erst noch Verwaltungs- und Risikokosten abgezogen, sodass nur rund 80 Prozent für die Anlage am Kapitalmarkt zur Verfügung stehen. Die Police bei der Allianz dürfte so nur 3,4 Prozent Rendite statt 4,30 Prozent bringen. Hält der Kunde bis zum Ende der Vertragslaufzeit durch, kann er noch von einem Schlussüberschuss und der Beteiligung an Bewertungsreserven profitieren. Rund die Hälfte der Lebensversicherungsverträge wird allerdings nicht bis zum Ende durchgehalten, beklagen Verbraucherschützer.

Anfang Dezember konnten die Kunden noch hoffen, dass die Gewinnbeteiligung stabil bleibt, nachdem nur eines von zwölf Unternehmen eine Senkung angekündigt hatte. Doch als die Allianz erstmals seit sechs Jahren die Gewinnbeteiligung für 2010 um 0,20 Prozentpunkte absenkte, änderte sich das Bild der Branche schnell. Die Entscheidung des Marktführers gilt als Signal und erleichtert es auch anderen Versicherern, diesem Beispiel zu folgen. "Unternehmen, die absenken, warten mit der Bekanntgabe dieser Entscheidung länger als Versicherer, die ihre Werte stabil haben", weiß Reiner Will, Geschäftsführer der Ratingagentur Assekurata aus seiner langjährigen Erfahrung.

Zwar haben zahlenmäßig die meisten der 40 Versicherer ihre Überschussbeteiligung stabil gehalten, doch auffällig sind die vielen Kürzungen unter den zehn Branchenriesen, die allein einen Marktanteil von 53 Prozent haben. Nach der Abendblatt-Umfrage haben in der Spitzengruppe sechs von zehn Unternehmen ihre Überschussbeteiligung gesenkt, darunter Marktführer Allianz, Generali und Hamburg-Mannheimer.

"Die Unternehmen bereiten sich stärker als kleinere Versicherungen auf eine erhöhte Risikovorsorge vor, die voraussichtlich ab 2012 gelten wird", sagt Carsten Zielke, Versicherungsanalyst der Société Générale dem Abendblatt. "Mittel, die dem Kunden nicht gutgeschrieben werden, können dafür genutzt werden." Wenn sich die Versicherer am Aktienmarkt engagieren wollen, müssen sie dafür zusätzliches Risikokapital bereithalten und diese Quoten sollen erhöht werden. Aber auch Firmen- und Bankpapiere erfordern eine höhere Risikovorsorge. "Die großen Versicherer haben sich stärker am Aktienmarkt engagiert als die kleinen", sagt Manfred Poweleit, Herausgeber des Branchendienstes Map-Report. Erhöhte Vorsorge ist aus seiner Sicht notwendig, denn er fürchtet hier den nächsten Crash.

Die Versicherer begründen die Absenkung der Überschussbeteiligung vor allem mit den niedrigen Zinsen. "Das wird auch in den nächsten Jahren die größte Herausforderung für die Versicherer bleiben", sagt Poweleit. Denn um allein den durchschnittlichen Garantiezins erfüllen zu können, müssen die Versicherer mit ihren Kapitalanlagen eine Rendite von circa 3,2 Prozent erwirtschaften. Eine zehnjährige Bundesanleihe bringt nur 3,4 Prozent. "Mit der Anpassung der einzelnen Komponenten der Überschussbeteiligung haben wir auf die Erfordernisse des niedrigen Zinsumfeldes reagiert", sagt Maximilian Zimmerer, Vorstandsvorsitzender der Allianz Leben.

Den Kunden eine höhere Verzinsung gutzuschreiben als am Kapitalmarkt erwirtschaftet werden kann, lässt sich nur mit einigen Tricks bewältigen. So verfügen die Versicherungen mit den Rückstellungen für Beitragsrückerstattung (RfB) über einen Puffer für schlechte Zeiten. Doch diese Reserve lässt sich nicht überstrapazieren "Eine Beibehaltung der Überschussbeteiligung wäre nur zulasten der RfB möglich gewesen", sagt Debeka-Chef Uwe Laue. "Das ist mit unserer Geschäftspolitik nicht vereinbar, weil es zu Lasten der Eigenmittelausstattung gegangen wäre." Andere Versicherer wie die Neue Leben aus Hamburg nutzen Kosten- und Risikogewinne, um noch eine stabile Überschussbeteiligung auszuweisen. Fallen diese Posten niedriger aus als kalkuliert, können die Überschüsse den Kunden zugute kommen.

Doch angesichts der niedrigen Zinsen sind das keine dauerhaften Lösungen. "Ich bin schon überrascht, wie lange manche Gesellschaften die Überschussbeteiligung oben halten", sagt Johannes Lörper, Vorstand der Hamburg-Mannheimer.