"Hamburg wächst! Wir liefern die Grundstücke" steht auf dem Titel einer aktuellen Senatsbroschüre. Darin vermarktet sich die Finanzbehörde als "Ansprechpartner Nummer Eins für Investoren". "Entdecken Sie unser Portfolio und wachsen Sie mit!" Die Stadt als Grundstücks-Portfolio - deutlicher kann man nicht aussprechen, was der Kern neoliberaler Stadtentwicklungspolitik ist: Eine Einladung zum Geldverdienen für die Immobilienwirtschaft. Hamburg ist hier beileibe kein Einzelfall. Der Berliner Sozialwissenschaftler Andrej Holm spricht davon, dass die politische Agenda in vielen Metropolen heute von einer Allianz aus Parteien, Banken und Bau-Investoren bestimmt wird - er nennt sie die "Immobilien-Verwertungs-Koalitionen".

Natürlich wollen Hamburgs Politiker den Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen, einer solchen Entwicklung den Boden bereitet zu haben. Und so verwundert es nicht, dass der ehemalige Stadtentwicklungssenator Willfried Maier (GAL) kürzlich an dieser Stelle das Leitbild der "Wachsenden Stadt" gegen die Kritik durch das Manifest "Not In Our Name, Marke Hamburg" verteidigt hat. In seiner Version der jüngeren Geschichte musste Hamburg in den Siebzigern mitansehen, wie die Besserverdiener in den Speckgürtel abwanderten, ihre Steuern also in Schleswig-Holstein zahlten und die Innenstadt den armen Schluckern überließen: "Sozialhilfebezieher, Studierende, Niedrigverdiener." Die Sanierung der westlichen inneren Stadt und die Entwicklung der Hafencity dagegen habe "Wirtschaftskraft in die City" zurückgebracht. "Ohne Wirtschaftsleistung keine Steuern, ohne Steuern keine sozialen Leistungen", so Maier.

Das Problem ist: Wir wissen längst, dass die Rechnung nicht aufgeht. Wenn eine prosperierende Innenstadt die Voraussetzung für sozialen Ausgleich sein soll: Warum fallen dann in Hamburg pro Jahr fünf- bis sechstausend Sozialwohnungen aus der Mietpreisbindung? Warum hat sich der Anteil migrantischer Bewohner etwa in St. Pauli in der letzte Dekade fast halbiert? Warum laufen an den Stadträndern "verstärkt soziale Entmischungsprozesse ab", wie der Senat selbst einräumt?

Und misst man etwa das Vorzeige-Entwicklungsprojekt Hafencity daran, was es für Hamburgs Steuerkasse abwirft? Ganz im Gegenteil: Demnächst muss das Bezirksamt-Mitte leerstehende Büroflächen im Überseequartier beziehen und damit seine Mietkosten verdoppeln. Das kommt daher, dass die städtische Hafencity GmbH Investoren mit Mietpreisgarantien angelockt hat - für die dann selbstverständlich die öffentliche Hand aufkommt. Die schützt nämlich in Hamburg nicht "die Schwächeren", wie Maier behauptet. Sondern sie gibt denen, die schon haben.

Dass bedingungslose Investorenfreundlichkeit die Sorge um das Gemeinwohl ersetzt hat, ist eine der zentralen Thesen von "Not In Our Name, Marke Hamburg". Wir, die Initiatoren, wollten mit dem Manifest die Kulturschaffenden und Initiativen stärken, die sich gegen diese Politik zur Wehr setzen.

Hamburg braucht nämlich nicht Jasager, die "die Elbphilharmonie im Herzen tragen", wie es in der jüngsten, geistlosen Imagekampagne von Hamburg-Marketing heißt. Sondern zum Beispiel Künstler, die sich dagegen verwahren, bloß für "positive Wahrnehmungen bisher problematischer Räume" zu sorgen und brav zu verschwinden, wenn der Investor kommt. Siehe Gängeviertel. Siehe auch das Frappant in der Großen Bergstraße, wo sich Künstler, Kreative und Stadtteilaktivisten weigern, das Haus für einen Ikea-Klotz zu räumen, der dem Stadtteil neben Verkehrschaos nur die nächste Spekulationswelle bringen würde.

Anders als Maier behauptet, geht es nämlich weder im Gängeviertel noch im Frappant um Vorrechte für Künstler, um lebenslängliche Künstler-Oasen. Der Vorschlag der Frappant-Besetzer hängt als utopisches Bauschild an der maroden Fassade des Gebäudes: Sie plädieren dafür, das Haus zu einem sozialen und kulturellen Zentrum für den Stadtteil Altona-Altstadt zu machen - eine der letzten Ecken in der westlichen inneren Stadt, in der noch Rentner, Migranten und ärmere Menschen das Straßenbild prägen. Ein Vorschlag, der unvergleichlich viel mehr Charme hat, als die Möbelhäuser, Media Märkte, Shopping Malls, Bürotürme und Kettengastronomien, die das neoliberale Stadtmodell für Aufwertung und Belebung hält.