Diese Studie ist alarmierend: Ärzte untersuchten mehr als 8500 Leichen. Sie diagnostizierten schlechte Zähne und Druckgeschwüre.

Viele ältere Menschen in Hamburg und Umgebung sind am Ende ihres Lebens in einem schlechten Pflegezustand. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die Prof. Klaus Püschel, Leiter des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Eppendorf, gestern der Öffentlichkeit vorgestellt hat.

In dieser Untersuchung wurden im vergangenen Jahr 8518 Verstorbene vor der Einäscherung in der Leichenhalle des Krematoriums Ohlsdorf untersucht, die zum Zeitpunkt ihres Todes älter als 60 Jahre alt waren. Das Durchschnittsalter lag bei 81 Jahren. Die meisten von ihnen, 42,3 Prozent, waren im Krankenhaus gestorben, 30,7 Prozent im Pflegeheim, 22,7 Prozent zu Hause und 4,3 Prozent in einem Hospiz. Die Ergebnisse der Studie sind erschreckend, denn sie zeigen, dass die Versorgung von älteren Menschen in Hamburg verbessert werden muss.

So hatten allein 3,3 Prozent aller Verstorbenen einen schweren Dekubitus. Das ist ein Druckgeschwür, das sich bildet, wenn Menschen sich kaum noch bewegen können und sich dadurch wund liegen. Besonders gefährdet sind Menschen mit starkem Untergewicht, Durchblutungsstörungen, Lähmungen oder Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes. Bei einer guten Pflege sollten solche Druckgeschwüre nicht auftreten.

Als bedrückend bezeichnete Püschel auch die Ergebnisse der Zahnuntersuchungen. "Von den jetzt alt werdenden Menschen haben viele einen schlechten Zahnstatus. Die meisten haben keine Zähne und nur wenige hochwertigen Zahnersatz", sagte Püschel.

Bei der Ernährung zeigten sich ebenfalls Defizite: 35 Prozent waren übergewichtig und 15 Prozent zu dünn. "Das Untergewicht nimmt mit zunehmendem Alter zu", sagt Püschel.

Anhand von typischen Narben stellten die Mediziner fest, dass bei 16,3 Prozent ein künstliches Hüftgelenk und knapp fünf Prozent ein künstliches Kniegelenk eingesetzt worden war. 6,4 Prozent der Verstorbenen hatten einen Herzschrittmacher.

Püschel gab auch zu bedenken, dass viele der Menschen einsam und allein gestorben seien und nicht im Kreis der Familie. Ein Drittel gar unter sehr schlechten hygienischen Verhältnissen. Diese Einsamkeit sei auch ein Grund für die steigende Zahl der Selbstmorde bei älteren Menschen.

Es gehe bei dieser Untersuchung nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum, Verbesserungen zu erreichen, betonte Püschel. Zwar werde auf allen Ebenen der Altenpflege bereits viel Einsatz geleistet, aber diese Ergebnisse zeigten, dass das noch nicht ausreiche, auch wenn der Pflegezustand sich im Vergleich zu vor zehn Jahren verbessert habe. Damals hatten die Hamburger Gerichtsmediziner aufgedeckt, dass viele alte Menschen am Ende ihres Lebens schwere Druckgeschwüre aufwiesen. Allerdings sind die beiden Studien nicht direkt miteinander vergleichbar.

Trotzdem bleiben die aktuellen Ergebnisse alarmierend, besonders weil der Anteil älterer Menschen in unserer Gesellschaft immer höher wird. Die Menschen sind immer älter und kränker, wenn sie in ein Pflegeheim kommen. Auch die Zahl demenzkranker Patienten habe seit einer Untersuchung im Jahre 1998 bis heute von 40 auf 70 Prozent zugenommen, sagte Jens Stappenbeck, Geschäftsführer der Hamburgischen Pflegegesellschaft.

"Trotz erschwerter Bedingungen der Altenpflege sind die Zustände besser geworden. Trotzdem sterben noch zu viele Senioren ohne professionelle Pflege", sagte Stappenbeck. Dennoch sei auch die Versorgung im Altenheim nicht einfach. Vor allem die strengen Budgetierungen lassen viel zu wenig Zeit für intensive Versorgung, folgerte Dr. Klaus Schäfer, Vorsitzender des Hausärzteverbands Hamburg.

Die Ergebnisse der Studie haben Hamburger Ärzte- und Pflegeverbände dazu veranlasst, bis zum Ende des Jahres einen Maßnahmenpool zur Erfassung, Verhinderung und Behandlung von Druckgeschwüren auf den Weg zu bringen: Künftig sollen alle Dekubitusfälle in Hamburg über ein Meldesystem zentral erfasst werden. Dann soll den meldenden Einrichtungen ein speziell ausgebildeter Wundmanager zur Seite gestellt werden, um den Dekubitus schnell in den Griff zu bekommen.