Politiker sind empört über das Vorgehen der Verbraucherzentrale. In einem Jahr gab es mehr als 540 Verfahren.

Hamburg. Die Hamburger Verbraucherzentrale gerät wegen ihrer Abmahnpraxis zunehmend unter Druck. Jetzt wurde bekannt, dass die Organisation, die im vergangenen Jahr von der Sozialbehörde etwa 1,5 Millionen Euro an Zuwendungen erhalten hat und zudem mit Bundesmitteln unterstützt wurde, im großen Stil Geschäftsleute abmahnt. Für die Kontrolle der Geschäfte hat die Verbraucherzentrale eigens zwei Mitarbeiter beauftragt, die stundenweise bezahlt werden. Das Gebaren wird jetzt zu einem Fall für die Hamburger Politik.

Geschäftsmann Ismail Öztürk (40) hält einen Stapel mit sieben Abmahnungen wegen unlauteren Wettbewerbs in der Hand. Die hat die Verbraucherzentrale Hamburg geschickt - es geht um fehlende Namensschilder an Ladeneingängen: "Wir werden ohne Vorwarnung kräftig zur Kasse gebeten, das macht mich fassungslos. Es ist doch verrückt, dass wir für jedes Geschäft einzeln bezahlen sollen", sagt Öztürk. Die Verbraucherzentrale fordert für die Erstattung ihrer "Auslagen" pro Abmahnung 149,80 Euro, das sind insgesamt mehr als 1000 Euro. Geschäftsmann Öztürk betreibt gemeinsam mit seinen beiden Brüdern zahlreiche "Schuh Geiz"-Geschäfte und einen Modeladen. Fünf Läden in Hamburg wurden nun abgemahnt, außerdem eine Filiale in Lüneburg und das Lager in Harburg.

Den Öztürks wird der Verstoß gegen Paragraf 15 a der Gewerbeordnung vorgeworfen. An den Eingängen zu ihren Geschäften soll die vorgeschriebene Kennzeichnung "mit Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen" der Inhaber gefehlt haben: "Das dient dem Kunden, um beispielsweise Reklamationen an den Inhaber senden zu können", sagt Juristin Edda Castelló von der Verbraucherzentrale. Insgesamt hatte die Organisation bereits im März 80 Geschäfte wegen fehlender Inhaberkennzeichnung abgemahnt.

Allerdings räumt Günter Hörmann, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale, ein: "Die Vorschrift des Paragrafen 15 a in der Gewerbeordnung wurde inzwischen vom Bundestag gestrichen. Wir sind aber der Auffassung, dass sich eine Verpflichtung zur Kennzeichnung des Inhabers auch direkt aus dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb ergibt."

Die Abmahnpraxis, über die das Abendblatt bereits am Sonnabend berichtet hat, sorgt verstärkt für Kritik: "Ich bin empört über das Vorgehen. Es wäre im Sinne einer guten Zusammenarbeit wünschenswert, dass die Händler zunächst auf ihre angeblichen Verstöße mündlich hingewiesen werden und diese dann abstellen können", sagt CDU-Wirtschaftsexpertin Barbara Ahrons.

Wie berichtet, hatte die Organisation rund 150 Händler abgemahnt, weil sie angeblich Waren oder Dienstleistungen ohne Preisauszeichnung angeboten haben sollen. Neben einer Unterlassungserklärung sollen die Betroffenen der Verbraucherzentrale zudem 160,50 Euro für die Erstattung ihrer Auslagen überweisen. Die Handelskammer hat bereits 20 Beschwerden erhalten und einige Abmahnungen als "sehr zweifelhaft" bezeichnet. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Burkhardt Müller-Sönksen: "Die Verbraucherzentrale sollte nicht als formaler Paragrafenreiter agieren. Auch wenn Gesetze natürlich eingehalten werden müssen."

Nach eigenen Angaben hat die Organisation im vergangenen Jahr 178 Verfahren wegen Verstößen im Bereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eingeleitet. Dazu kommen 371 Verfahren wegen unlauteren Wettbewerbs - davon 199 wegen fehlender Preisangaben.

Wie viel man dadurch eingenommen hat, wird nicht mitgeteilt. Wenn jedoch jeder der 199 Betroffenen die Auslagenerstattung von 160,50 Euro bezahlt hätte, wären das fast 32 000 Euro. Allerdings hatte Juristin Castelló bereits beteuert, dass die Verbraucherzentrale durch die Abmahnungen keinen Gewinn mache.