Bestürzung im Tierpark: 40 Jahre alter Bulle Hussein starb überraschend. Ein Nachfolger für den Vater von 14 Hagenbeck-Elefanten kommt im Herbst.

Stellingen. Patriarch ist, rein fachlich, für einen Elefantenbullen nicht die korrekte Bezeichnung. Leben die Dickhäuter doch in Herden von Töchtern und Tanten, die sich um eine Matriarchin, eine erfahrene Leitkuh, scharen. Und die Herren gehen einsam, bis auf wenige Momente der Zweisamkeit, ihrer Wege. Doch gefühlt war Hussein der Elefantenpatriarch von Hagenbeck. Freitag starb das 40 Jahre alte Tier völlig unerwartet: Bei den Vorbereitungen zu seinem Umzug in einen anderen Zoo hörte Hussein ohne vorherige Anzeichen auf zu atmen.

"Ich kann mir das überhaupt nicht erklären", sagte Zootierarzt Dr. Michael Flügger gestern. Und man merkte ihm an, dass er jedes noch so kleine Detail von den Geschehnissen am Freitag wieder und wieder überdacht haben muss. Doch leider ohne Erkenntnis. Flügger kannte Hussein seit 21 Jahren. Als der Veterinär 1991 bei Hagenbeck anfing, war der 1972 geborene Asiatische Elefantenbulle bereits vier Jahre in Stellingen. 1987 hatte ihn der damalige Elefantenpfleger Karl Kock aus einem Elefantencamp in Mysore, Indien geholt.

"Hussein war ein ausgebildeter Arbeitselefant, vielleicht war er deshalb so umgänglich", sagt Flügger. Und da ist das Wort, das während der 25 Jahre in Hamburg immer wieder über Hussein gefallen war: umgänglich. Friedlich. Ein besonders besonnener Elefantenbulle, von deren Gefährlichkeit und Unberechenbarkeit man sonst so viel hört. Und über die es früher hieß, dass auf einen in Menschenobhut gehaltenen Bullen ein toter Tierpfleger kommt.

Hussein war anders. Nicht dass man deshalb bei Hagenbeck ohne Vorsicht mit ihm umgegangen wäre. In den Anfangsjahren hatten die Elefantenpfleger zwar noch direkten Kontakt zu ihm, gingen mit ihm baden und nutzten ihn für Arbeitseinsätze wie das Wegziehen von gefällten Bäumen im Tierpark. Doch bereits 1988 bekam er sein eigenes Gehege, 1991 folgte das eigene Bullenhaus, und der Umgang mit ihm wurde auf den sogenannten "protected contact" umgestellt. Das heißt, dass von nun an immer eine Abtrennung zwischen ihm und den Tierpflegern war, während die Elefantenkühe und ihre Kälber weiterhin zusammen mit den Pflegern in einem Gehege sein konnten.

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Ein Konzept, das Hussein nicht schadete: Durch das sogenannte Liebesgitter konnte er die Damen nebenan berüsseln, und wenn er sich mit einer paarungsbereiten Elefantenkuh besonders gut verstand, wurde diese zu ihm gelassen. Im März 1992 wurde mit der kleinen Ratna seine erste Tochter geboren, und ihr folgten 13 Geschwister - der jüngste, Assam, ist gerade einmal drei Monate alt.

Die Elefantenzucht wurde unter Hussein zu einer hagenbeckschen Erfolgsgeschichte, die Gruppe wuchs auf zuletzt 14 Tiere an. Doch gerade das führte dazu, dass der Tierpark den Bullen jetzt abgeben wollte. Flügger: "Etliche von Husseins Töchtern sind jetzt im deckfähigen Alter. Also mussten entweder sie gehen - oder er. Für eine stabile Herde und Zucht lässt man, wie im Freiland, die Kühe zusammen und tauscht den Bullen aus."

Genau das sollte Freitag passieren. Michael Flügger hatte sich noch mit Roy Smith, einem Fachmann für Elefantentransporte, der Hussein in den Zoo Planckendael in Belgien bringen sollte, besprochen. "Weil wir beide Hussein als so ruhigen Vertreter kannten, haben wir die Beruhigungsspritze niedrig dosiert", so der Tierarzt. Als Hussein zu munter für den Transport blieb, spritzte Flügger nach. Dann passierte alles innerhalb von Minuten: Hussein legte sich plötzlich in seiner Schlafbox hin, kurz danach setzte die Atmung bei dem 2,80 Meter großen und mehr als fünf Tonnen schweren Tier aus. Selbst ein Mittel zur Stimulierung der Atmung half nichts mehr: Hussein starb.

Eine erste Untersuchung durch den Tierpathologen Dr. Matthias Wölm blieb ohne Ergebnis, auch ein Fachmann vom Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin konnte keine Ursache für den Tod des Elefanten finden. Flügger: "Vor drei Wochen hatten wir noch ein Blutbild erstellt, da war alles bestens. Jetzt müssen wir auf die Ergebnisse der Gewebeuntersuchungen warten." Zehn bis 13 Jahre, so schätzt Flügger, wäre die Lebenserwartung von Hussein eigentlich noch gewesen.

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Trotz der großen Bestürzung im Tierpark werden Vorkehrungen für die Ankunft von Husseins Nachfolger getroffen: Aus dem polnischen Kattowitz soll im Herbst der 15 Jahre alte Elefantenbulle Thisiam kommen, Sohn eines berühmten Pariser Elefantenbullen. Dafür wird das Bullenhaus nach neuesten Erkenntnissen umgebaut. Mit Thisiams Ankunft werden die beiden jungen Bullen Shahrukh (vier Jahre alt) und Shanti (ebenfalls vier, im Februar aus Hannover gekommen) Hamburg gen Kattowitz verlassen, um dort eine Junggesellengruppe zu gründen.

Und mit Thisiam wird ein neues Kapitel der Elefantenzucht bei Hagenbeck aufgeschlagen.