Und nicht die Polizei. Brennende Autos verzerren das Bild des Protests

Von Hamburg ging ein Ausrufezeichen in die Republik. Es war stark, es war bunt. Bilder des Protests am Sonnabend gegen den Neonazi-Aufmarsch in Wandsbek werden im Gedächtnis der Stadt bleiben: Bunte Protestkärtchen auf dem Rathausmarkt, eine Bischöfin, die sagt: "Unser Kreuz hat keine Haken." Auch wichtige Bilder aus Wandsbek prägen sich ein: Transparente gegen rechts außen, Sitzblockaden, Neonazis im Schutz von Wasserwerfern der Polizei, damit sie ihre dumpfen Parolen brüllen können. Aber es bleiben - mal wieder - auch Bilder brennender Polizeiwagen und Mülltonnen. Es waren Taten vieler sogenannter Autonomer. Und es ist ein großer Imageschaden, der nach dem friedlichen Ausrufezeichen gegen die Neonazis bei vielen auch ein Fragezeichen hinterlässt.

Sicher: Es gab weit weniger Brände als beim Neonazi-Aufmarsch in Barmbek im Jahr 2008. Schwere Verletzungen bei Polizisten blieben aus. Doch vereinnahmt die Gewalt Einzelner die Diskussion in Öffentlichkeit und Politik.

Der Route wurde gerichtlich festgelegt, so umstritten ein Nazi-Aufmarsch auch ist. Die Polizei hatte den Auftrag, die Ewiggestrigen zu schützen. Wer Steine wirft, vergisst: Nicht die Polizei ist die Gefahr, es sind die Neonazis. Und ihnen durch Gewalt Argumente zu liefern für ihre Hetze gegen friedliche Demonstranten von links, das ist die falsche Strategie.

Nach dem Aufmarsch der Neonazis und der NPD in Wandsbek muss verstärkt über ein Verbot dieser menschenfeindlichen Partei diskutiert werden - und nicht nur über Steinewerfer. Nachdem Neonazis im Block marschierten und "Nie wieder Israel" oder "Kriminelle Ausländer raus" riefen, muss über die Gewalt von Rechtsextremen gesprochen werden. Da interessieren brennende Autos nur am Rande. Es macht keinen Sinn, den Protest gegen Neonazis in gut und böse zu trennen: Hier auf dem Rathausmarkt die guten Bürger, dort in Wandsbek die bösen Randalierer.

Der Protest in der Innenstadt war ein Ventil der Bürger dieser Stadt, ihre Wut gegen Neonazis kundzutun. Und sie machten aus dieser Wut ein Gemeinschaftserlebnis. Wichtig wird sein, dass die 10 000 Menschen wieder dort stehen, wenn die Debatte um die Morde der rechtsterroristischen Zwickauer Zelle in ein paar Jahren nur noch selten in der Öffentlichkeit auftaucht. Wichtig wird sein, dass sie nach ihrem Ausflug zum Rathausmarkt auch gegen Rassismus im Alltag in dieser Stadt eintreten.

Man darf nicht vergessen, dass auch am Rand der Strecke in Wandsbek mehrere Tausend mutige Menschen Haltung bewiesen und der Hetze der Rassisten ihre Idee einer weltoffenen Gesellschaft entgegenstellten. Es waren Anwohner, die ihre Wut über die Neonazis auf Transparente an Balkonen malten. Antifaschistische Initiativen machten am Rand der Strecke Lärm. Und ja: Friedliche Sitzblockaden sind ein wichtiges Zeichen gegen Neonazis. Dieser zivile Ungehorsam darf nicht vermengt werden mit der Debatte über das apolitische Ritual von Jugendlichen, die vor der Roten Flora Barrikaden anzünden. Das hat weder etwas mit Systemkritik zu tun noch mit Antifaschismus.

In Wandsbek dagegen war der Grund für zivilen Ungehorsam der Gegendemonstranten ein Aufmarsch der Neonazis und ihr sogenannter "Tag der deutschen Zukunft" in Hamburg - der Stadt des "multikulturellen Wahnsinns", wie sie skandierten. Dass dieser Provokation entschlossen mit Zivilcourage begegnet wurde, ist die größte Niederlage für die Nazis.

Und so war der Protest trotz Bränden und Flaschenwürfen ein Erfolg. Es kamen weniger Rechtsextreme als erwartet. Und dank der Blockaden mussten sie ihre Marschroute ändern und abkürzen. Die deutsche Zukunft der Neonazis war schon nach einem Kilometer wieder vorbei.